Jedes vierte Kind ist psychisch krank

Jedes vierte Kind unter 19 Jahren in Bayern ist von einem Seelenleiden betroffen. Das geht aus einer Untersuchung der Techniker Krankenkasse (TK) hervor.
Rudolf Huber |
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Demnach leiden im Freistaat rund 44.000 Kinder und Jugendliche an psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Hyperaktivität oder Ängsten.
footolia 2 Demnach leiden im Freistaat rund 44.000 Kinder und Jugendliche an psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Hyperaktivität oder Ängsten.
Damit ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit einer seelischen Erkrankung seit 2007 damit um 15 Prozent gestiegen, wie die TK am Donnerstag in München weiter mitteilte.
abendzeitung 2 Damit ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit einer seelischen Erkrankung seit 2007 damit um 15 Prozent gestiegen, wie die TK am Donnerstag in München weiter mitteilte.

Jedes vierte Kind unter 19 Jahren in Bayern ist von einem Seelenleiden betroffen. Das geht aus einer Untersuchung der Techniker Krankenkasse (TK) hervor.

München Die Zahlen sind dramatisch – sie spiegeln die ungeschminkte Wirklichkeit in Bayern wider: Nach einer Erhebung der Techniker Krankenkasse (TK) hat jedes vierte Kind und jeder vierte Jugendliche im Freistaat psychische Probleme. Alarmierend sind die Steigerungsraten. Denn im Vergleich zum Jahr 2007 sind zwölf Prozent mehr Kinder und sogar 23 Prozent mehr Jugendliche betroffen.

Die Krankenkasse hat die Zahlen der bei ihr versicherten jungen Patienten auf Bayern hochgerechnet. Das Ergebnis: 560<TH>000 Kinder und Jugendliche. Christian Bredl, Leiter der TK Bayern: „Das ist erschreckend.“

Was löst diese drastische Zunahme der psychischen Erkrankungen aus, was sagen Kinderärzte dazu, was können Eltern und Erzieher tun? Die AZ dokumentiert die wichtigsten Fragen und Antworten.

Woher kommt diese Zunahme?

„Veränderte Familienstrukturen und schulische Anforderungen, aber auch ungesunde Freizeitgewohnheiten wie ein hoher Medienkonsum können seelische Belastungen und Krankheiten hervorrufen“, sagt Christian Bredl.

Ein Beispiel: Jedes dritte Kind in Bayern ist mit der Scheidung seiner Eltern konfrontiert. Aber auch zunehmenden Stress und Leistungsdruck haben die Experten registriert. Und eine geänderte „Medien-Nutzung“ – von Ballerspielen bis zu stundenlangem Internet-Surfen.

Welches sind die zahlenmäßig am stärksten vertretenen psychischen Erkrankungen?

Entwicklungsstörungen – zum Beispiel, dass sie erst spät sprechen lernen – liegen bei den Kindern unter zwölf Jahren vorne. Bei Jugendlichen von 13 bis 19 Jahren führt mit großem Vorsprung das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom – auch ADHS genannt.

Aber die Fallzahlen entsprechen nach Ansicht von Medizinern nicht unbedingt den tatsächlichen Erkrankungen. Professor Hubertus von Voß, ehemaliger Chef des Kinderzentrums München: „Manche Diagnosen wie ADHS sind bereits zu Mode-Diagnosen geworden.“ Seiner Erfahrung nach zeigen fünf bis sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen ADHS-Symptome – aber sie leiden noch nicht unter der Krankheit.

Wie reagieren die Ärzte?

Oft wird, so der Arzt, zu schnell zum Rezeptblock gegriffen, das bekannteste Mittel ist Ritalin. Oft werden schon vierjährige Kinder damit ruhig gestellt. Doch Professor Voß rät dringend zu „größter Vorsicht“. Seine Vorgehensweise: „Keine Blick-Diagnose – man muss genau zuhören.“ Der Mediziner bringt das so auf den Punkt: „Anamnese vor der Tablette.“

Wie kann die Gesellschaft und wie muss die Politik auf die Zunahme der psychischen Erkrankungen bei jungen Menschen reagieren?

Professor Voss stellt zu dieser Frage eine leicht ketzerische Hypothese in den Raum: „Wenn ein Lehrer drei oder vier Kinder mit ADHS-Symptomen in der Klasse hat, kann er die Tür zumachen und heimgehen – der schafft das alleine nicht.“ Der Arzt fordert kleinere Kindergartengruppen, kleinere Klassen, mehr Förderpädagogen, Schulpsychologen. Dazu mehr Schulsport und intensivere musische Angebote.

Wie äußern sich seelische Erkrankungen bei Kindern?

Häufig nicht nur in Form von Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit oder sogar Depressionen. Sondern auch durch Unkonzentriertheit, Schlafstörungen oder Unruhe. Oder durch körperliche Symptome wie Kopf- und Bauchschmerzen oder Übelkeit.

Welche nichtpsychischen Erkrankungen spielen bei Kindern und Jugendlichen die wichtigste Rolle?

Das sind unter anderem Diabetes, krankhaftes Übergewicht (Adipositas), Bluthochdruck, Neurodermitis, Asthma und Magersucht.

Wo können sich Eltern über Hilfen und Therapien für ihr Kind informieren?

Etwa im neuen TK-Leitfaden „Der richtige Arzt für mein Kind“. Downloaden kann man ihn online unter tk.de/lv-bayern. Weitere Anlaufadressen im Internet sind etwa kinderaerzte-im-netz.de, paednetz.de, kindernetzwerk.de und bzga.de.

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