"Jede Hilfe kommt zu spät": Gletschersterben in Bayern
Garmisch-Partenkirchen - Das Wetter auf der Zugspitze an diesem Donnerstag könnte nicht eindrücklicher sein. Rund 13 Grad, pralle Sonne - T-Shirt-Wetter. Das Wasser auf dem Nördlichen Seeferner auf der Zugspitze fließt, was das Zeug hält - Gletschersterben hautnah. Die Gletscher in den Bayerischen Alpen werden nach und nach aussterben. Darüber sind sich die meisten Forscher einig. Auf der Zugspitze ist diese Entwicklung besonders bildlich. Tag für Tag schwindet hier das Eis. Die Bayerische Zugspitzbahn (BZB) will fortan mehr über den Zustand und die Veränderungen des Gletschers informieren. Ein neuer Informationsweg und tägliche Führungen sollen Zugspitz-Besucher für das Thema Erderwärmung sensibilisieren.
Nördlicher Seeferner Gletscher schrumpft seit Jahren
Gut 25 Jahre ist es her, als Max Pohl (33) den Nördlichen Schneeferner das erste Mal besucht hat. Der Geschäftsführer der Berg- und Skischule Vivalpin in Garmisch-Partenkirchen wird künftig Gäste über den Gletscher führen. "Der war damals deutlich größer und mächtiger", erzählt er der AZ. Jetzt sei die Eismasse massiv geschrumpft. "Inzwischen sieht man immer mehr Felsen und Schuttbereiche", sagt Pohl. Es sei eine Frage der Zeit, bis der Nördliche Schneeferner komplett verschwinden wird. In einem von der Zugspitzbahn produzierten Film zum Gletschersterben werden die Führungen gar als Abschiedstouren bezeichnet. Den Gletscher noch einmal erleben, bevor er endgültig verschwindet. Ist das eine Tatsache, mit der man sich einfach abfindet? "Es ist irgendwo die Realität und man muss sich damit auseinandersetzen, aber ich finde es natürlich schade", sagt Pohl.

Bald keine deutschen Gletscher mehr: "Für unsere kleinen Alpengletscher kommt jede Hilfe zu spät"
Noch deutlicher wird Glaziologe Wilfried Hagg von der Hochschule München. Er begleitet die bayerischen Gletscher seit fast 20 Jahren. Die letzte Messung des Nördlichen Seeferners hätte ergeben, dass die Eisschicht zwischen 2018 und 2023 sieben Meter an Dicke eingebüßt hat - der höchste Wert seit Beginn der Erhebung 1998. "Für unsere kleinen Alpengletscher kommt jede Hilfe zu spät", lautet sein Fazit im Gespräch mit der AZ. Zwar könne man noch mit technischen Mitteln entgegenwirken, aber damit würden lediglich die Symptome bekämpft. "Um die Krankheit zu heilen, müsste sich das Klima ändern."

Hagg ist sich sicher, dass die Bayerischen Gletscher allesamt verschwinden werden. Als Erstes werde es in den nächsten Jahren die beiden Berchtesgadener - Blaueis und Watzmanngletscher - treffen. Um das Jahr 2030 folgt der Nördliche Seeferner. Als Letztes dann der Höllentalferner auf der anderen Seite der Zugspitze. Das Problem sei viel größer. Der Klimawandel werde die größte Herausforderung dieses Jahrhunderts. "Da gibt es noch viel gravierendere Folgen als den Verlust der Bayerischen Gletscher - deswegen kann ich da nicht zu viele Gefühle aufbringen."
Neuer Informationsweg auf der Zugspitze soll Gäste sensibilisieren
Verschwindet der Nördliche Seeferner, gäbe es keine direkten Auswirkungen auf die Region, sagt Verena Tanzer, Sprecherin der BZB der AZ. Sie sieht den Gletscher daher viel mehr als ein Indikator für das, was mit unserem Klima passiert. "An Sommertagen kann man dem Schmelzen des Eises zuschauen", sagt sie. Deshalb möchte man die Gäste informieren. "Wir wollen, dass Besucher mit mehr Wissen heimfahren." Menschen würden eher das schützen, was sie gesehen haben, als das, was man ihnen von außen erzählt. Und Kinder könnten den Gletscher noch einmal erleben, bevor er endgültig verschwindet.
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