"Jede Begegnung ist intensiv, ein Adrenalin-Kick": Bayer Florian Graner taucht mit Orcas

Florian Graner ist Meeresbiologe, zugleich filmt er Unterwasser. Für seinen neuen Film ist wieder abgetaucht. Am Montag ist dieser im Ersten zu sehen.
Leonie Fuchs |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Nasser Kuss: Florian Graners große Leidenschaft sind die Tiere der Ozeane.
Nasser Kuss: Florian Graners große Leidenschaft sind die Tiere der Ozeane. © Florian Graner, NMFS Permit 26599

Ein eingehender Blick genügt und es ist, als hätte der schwarz-weiße Riese vor Florian Graners Maske ihn durchleuchtet. Bei einem Tauchgang mit einem Orca ist der Meeresbiologe exponiert, wie er der AZ sagt. Ausgeliefert vor der größten Art der Delfinfamilie: dem Orca.

Graner muss weiter ruhig atmen, denn die Luft in seiner Pressluftflasche ist genau kalkuliert, während das Tier ihn neugierig umkreist. Doch Angst habe er nie. Graner ist sich sicher: Sein Gegenüber weiß genau, dass er als Taucher nicht in das Beuteschema des Giganten passt. Graner ist in den Bann gezogen von den Tieren und ihrer Intelligenz.

Er taucht seit über 30 Jahren in allen Ozeanen

Der Unterwasser-Filmer taucht seit über 30 Jahren in allen Ozeanen, um den Meeresgeschöpfen so nah wie möglich zu sein. Am Montag ist sein neuer Film: "Unter Orcas - Herrscher der Meere" im Ersten zu sehen. Gedreht wurde über mehrere Jahre in den USA, Norwegen und Patagonien. Was ist das Geheimnis der Orcas?

Alles hat in Überlingen am Bodensee begonnen. Denn dort ist der Mann aus Garmisch-Partenkirchen aufgewachsen - und dort hat der heute 56-Jährige tauchen gelernt. Die Tierliebe wurde ihm in die Wiege gelegt, berichtet er.

Der Garmischer lebt mit seiner Familie auf Whitbey Island.
Der Garmischer lebt mit seiner Familie auf Whitbey Island. © Florian Graner, NMFS Permit 26599

Von dort aus hat sich sein Weg gefügt: Den Zivildienst hat Graner als Vogelwart auf Helgoland absolviert. "Dort konnte ich die ersten nachweisbaren Beobachtungen von Kegelrobben machen." Graner hat Biologie in Zürich und Meeresbiologie in Liverpool studiert.

"Jede Begegnung ist intensiv, ein Adrenalin-Kick"

Damals interessierten ihn besonders Schweinswale. 1995 kam es durch seine Arbeit für die Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere zu einer Zusammenarbeit mit dem NDR. Seitdem hat er unzählige Filme gedreht.

Heute lebt Graner mit seiner Familie auf Whitbey Island, einer Insel nördlich von Seattle und vor der Küste British Columbias. Ihr Haus liegt direkt am Fjord, der auch das Zuhause von verschiedenen Orca-Familien ist. Graner geht fast täglich tauchen und seine Arbeit höre eigentlich nie auf, mit Orcas vor der Haustüre.


Die erste Begegnung mit einem Orca unter Wasser wird der Forscher niemals vergessen. Sie passiert noch während seines Studiums, nachts in den Gewässern Norwegens. Nur Polarlichter scheinen auf das Meer. "Ich habe ihn nicht gesehen, aber gehört."

Graner vernimmt die Sonarklicks des Orcas so laut, dass er stechende Schmerzen in der Stirn bekommt. "Die Klicks sind wie Schläge im Bauch, als würde man direkt vor den Lautsprechern eines Rockkonzertes stehen."

Es sei eine Art des Spielens

Wenn man den Schalldruck der Tiere so intensiv am eigenen Leib erfahre, merke man erst, wie kräftig diese Wesen seien. Orca, Schwertwal, Killerwal sind Namen für dasselbe Tier. Bullen können ausgewachsen knapp zehn Meter lang werden.

"Orcas terrorisieren Weiße Haie" oder sie beschädigten Hunderte Boote vor Gibraltar, berichteten Medien zuletzt. Zu Letzterem sagt Graner: "Das sind für mich keine wirklichen Angriffe auf Menschen. Die Orcas haben es ja offensichtlich nicht darauf abgesehen, Menschen zu fressen oder ihnen zu schaden, auch wenn ihre Aktion natürlich ernste Folgen für die Crew haben kann!" Vielmehr sei es eine Art des Spielens mit den Rudern der Segelboote.

Orcas werden auch Schwertwale oder Killerwale genannt. Bullen können ausgewachsen knapp zehn Meter lang werden. Florian Graner taucht mit den Riesen.
Orcas werden auch Schwertwale oder Killerwale genannt. Bullen können ausgewachsen knapp zehn Meter lang werden. Florian Graner taucht mit den Riesen. © Florian Graner, NMFS Permit 26599


Wieso geht Graner freiwillig mit den riesigen Fleischfressern, den Top-Prädatoren der Ozeane schwimmen? "Orcas haben ein riesengroßes, hoch entwickeltes Gehirn", sagt Graner. "Das größte in der Tierwelt."

Es ist demnach viermal so groß wie das Menschliche. Die Tiere seien denkende, fühlende Wesen, mit vermutlich einem "Wahnsinnsgedächtnis". Dennoch sei jede Begegnung intensiv, "ein Adrenalin-Kick".

Er hat keine Angst unter Wasser

Zudem haben Orcas laut Graner ein sehr genaues Beuteschema und dazu ein präzises Biosonar (Echoortung, d. Red.). Deshalb habe Graner auch keine Angst unter Wasser. Im Gegenteil: "Ich vertraue den Tieren", sagt er. "Sie können den Herzschlag ihres Gegenübers genau hören, sie wissen, was ich zuletzt gegessen habe, ob jemand schwanger ist und in welcher Woche." Zudem sehe man mit Trockentaucheranzug und Ausrüstung für die Tiere nicht besonders essbar aus.

Lediglich ein Moment sei Graner zuletzt nicht geheuer gewesen. Als er und seine Frau Aufnahmen vom Boot aus von einer Gruppe von Orcas machten, die einen Vogel jagten. "Zwischen eine Orca-Schule und ihre Beute möchte man nicht geraten."

Wale und Delfine seien generell sehr intelligent. "Bei ihnen läuft alles mit Verstand ab und extrem effektiver Kommunikation." Treffen würden bei Orcas etwa über große geografische Distanzen und längere Zeiträume hinweg geplant werden. Sie seien Tiere mit Kultur und Stil.

Für seinen neuen Film hat Graner auch dank Drohnentechnologie Luftaufnahmen machen können, die intime Einblicke in das Familienleben der Orcas ermöglichen: Er zeigt, wie sie ihrem Nachwuchs das Jagen beibringen, "flirten", sich zu Paarungen verabreden, auf Seehundjagd gehen und sich "unterhalten".

"Arten und Ökosysteme können sich erholen, wenn wir sie schützen"

Es gebe weltweit nur etwa 50.000 Orcas. Die USA seien eigentlich mit dem Marine Mammal Protection Act in den letzten Jahrzehnten Vorreiter in Sachen Meeresschutz gewesen.

Doch die langfristigen Folgen durch den jetzigen US-Präsidenten Donald Trump, der kurz nach Amtseintritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgestiegen ist und zuletzt auch Meeresschutzgebiete wieder für die Fischerei geöffnet hat, seien nicht absehbar.

Unter Wasser genügt ein Schwanzflossenschlag und Graner weiß, was das Tier ihm mitteilen möchte. An Land lautet seine Botschaft: "Arten und Ökosysteme können sich erholen, wenn wir sie schützen."

"Unter Orcas - Herrscher der Meere", am 28.4.2025, 20.15 Uhr, im Ersten. Sängerin Sarah Connor leiht der Dokumentation ihre Stimme.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.