Jahrelang suchte er einen Job - jetzt arbeitet er gratis!

NÜRNBERG So ein Zeugnis wünscht man sich: Rudolf Lilly, der fast zwei Jahre im „Haus Großweidenmühle” als Koch arbeitete, hat die Arbeit planvoll erledigt, Hilfskräfte beaufsichtigt, zeigte großes Interesse, kam mit der schwierigen Klientel im Männer-/Frauenheim gut zurecht und auch die Chefs hatten nie Grund zur Klage. Der 52-Jährige denkt gerne an die Zeit zurück. Er hätte das damals gerne weiter gemacht, sogar als Ein-Euro-Jobber, der neben seinen Hartz IV-Bezügen ein wenig dazu verdient.
Aber alle Maßnahmen der Ämter waren irgendwann zu Ende und keiner fand ein Etikett, das man auf die Tätigkeit des Herrn Lilly kleben könnte, damit sie nicht nur persönliche, sondern auch offizielle Anerkennung findet.
"Irgendwann ist alles gekippt"
Ein typischer, jahrelanger Hartzer, dieser Nürnberger Südstädtler? Gelernter Bauzeichner, dann viel gereist und immer wieder gejobbt, eine Zeitlang politischer Aktivist, immer tätig, aber nie karrierebewusst. „Irgendwann ist alles gekippt. Es gab sonst immer eine Arbeit. Man bekam plötzlich keine Jobs mehr.” Für Lilly begann die jahrelange Phase immer neuer Maßnahmen, Umschulungen. Arbeitskräfte in der Pflege sind dringend gesucht? Er absolvierte eine Maßnahme der Arbeitsagentur. Jetzt ist er Altenpflegehelfer, „aber wenn ich mich auf ein Inserat melde, heißt’s, sie nehmen nur examinierte Kräfte”.
Das halbe Jahr Aufbaukurs zum Altenpfleger will ihm die Arge nicht zahlen. Lieber „verschreibt” sie „Maßnahmen”, in Kindergärten und Heimen (als Koch), wo sich Lilly stets bewährt, bis zum fristgerechten Ende. Er schreibt an Oberbürgermeister Ulrich Maly und erhält eine freundliche Antwort – aber keinen Job. Jetzt lebt er von 250 Euro im Monat.
„Jetzt reicht’s”, sagt der Mann aus St. Peter, nachdem er nachmittags im Fernsehen immer häufiger das Wort „Sozialschmarotzer” hörte, als Synonym für Hartz IV-Empfänger. Er entwirft ein Flugblatt, auf dem er seine Arbeitskraft anbietet – für umsonst! „Ich arbeite absolut freiwillig und kostenlos... um aus dem Teufelskreis des Nichtstuns herauszukommen”, steht da. „Winterdienst, Laubrechen, Einkaufshilfe, leichte handwerkliche Arbeiten – für Senioren in der Südstadt.” Die Handynummer schrieb er gleich darunter.
Arbeit - für ein "Dankeschön"
Seitdem begleitet er ältere Damen zum Arzt, erledigt Besorgungen, renoviert auch mal ein Wohnzimmer – für ein „Dankeschön” und eine Tasse Tee. „Alles ist besser als das Rumgehocke, dann zieht es einen in die Parks, die Kneipe, erzählt Lilly mit Widerwillen. Obwohl gerade dieser Rudolf Lilly ja eine andere Option ziehen könnte, kostenlos in ganz Bayern Museen und Schlösser besuchen und sogar mit den Fahrgastschiffen auf dem Starnberger See umsonst herumfahren darf. Den Bonus verschafft ihm sein „Ausweis für Träger der Bayerischen Rettungsmedaille”, den er bekam, weil er 2007 einen Mann aus dem „Silbersee” zog und dem bereits Ohnmächtigen das Leben rettete. Er erhielt Dankesbriefe der CSU, durfte zu Edmund Stoiber nach München. Fahrtkosten wurden erstattet, es gab viel Händedruck und eine Medaille.
Nur einen Job – einen klitzekleinen festen Job, hatten sie wieder nicht. Peter Budig