Jäger ärgert sich über Gefahr durch radioaktive Wildschweine

Setzen sich Jägerfamilien viel zu hoher radioaktiver Strahlung aus? Und warum können Verbraucher die Messwerte aus besonders verseuchten Regionen nicht einsehen? Ein Oberbayer ärgert sich.
Ruth Schormann |
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Eine Bache auf Nahrungssuche. Wildschweine wühlen im Waldboden – und nehmen mit Pilzen Radiocäsium auf.
Paul Zinken/dpa Eine Bache auf Nahrungssuche. Wildschweine wühlen im Waldboden – und nehmen mit Pilzen Radiocäsium auf.

Helmut Rummel hat keine Angst um die bayerischen Jäger und ihre Angehörigen. Aber Bedenken hat er. Denn viele Wildschweine, die im Süden des Freistaats, also Niederbayern, Oberbayern und Schwaben, geschossen werden, seien auch über 30 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl mit Radiocäsium belastet; Mit Werten weit über der zugelassenen Grenze von 600 Becquerel pro Kilo Fleisch.

Doch keine Angst: Schwarzwild, das in Gasthäusern oder beim Metzger angeboten werden soll, müssen Jäger in einer der zahlreichen Messstationen untersuchen lassen.

Datenlage teils sehr intransparent

Rund 50 solcher Einrichtungen betreiben die Bayerischen Staatsforsten, 111 solcher Stationen der Bayerische Jagdverband (BJV). Das heißt, er hat sie "mit einem Millionenaufwand aufgebaut", erklärt Verbandsgeschäftsführer Joachim Reddemann der AZ – das betont er mehrmals in dem Gespräch.

Betreiben tun sie aber Kreisverbände und Jägervereine eigenständig. Und deswegen melden sie ihre Messwerte auch nicht im Detail an den Verband. Das kritisiert Rummel, der selbst jahrelang Strahlenschutzbeauftragter war. "Der normale Verbraucher kommt an diese Werte gar nicht ran", moniert er. "Der Bayerische Jagdverband kann über die Belastung der Wildschweine in Südbayern überhaupt nicht mitreden mangels seiner Datenlage", sagt Rummel.

Reddemann reagiert gelassen: "Sie können jederzeit bei den Messstationen anrufen und die Belastung in der jeweiligen Region erfragen", meint er. Warum sollten die genauen Werte denn zentral gesammelt werden? Er sieht dafür keinen Anlass.

Ernst nehme man die Strahlenbelastung beim BJV aber sehr wohl. "Das Messnetz ist nirgendwo so groß wie in Bayern", vergleicht der Geschäftsführer. Stichprobenartig werden Messergebnisse an ihn übermittelt. Dabei melden die Stationen aber nicht detaillierte Werte in Becquerel pro Kilo, sondern, wie viele Messungen über oder unter dem Grenzwert lagen. "Im zweiten Halbjahr 2015 waren in den Kontaminationsgebieten zum Beispiel 23 Prozent drüber", sagt Reddemann.

Strahlenbelastung in einigen Gebieten höher

Besonders belastet sind in Bayern Süden und Osten. Schwaben (außer dem Landkreis Donau-Ries), Teile der Oberpfalz, Niederbayern und auch Teile Oberbayerns gelten als stärker belastet als der Rest Bayerns.

Das liegt an den unterschiedlichen Niederschlägen nach dem Reaktorunfall 1986. "Die Belastung richtet sich aber auch nach den Jahreszeiten und der Nahrung, die die Wildschweine dann aufnehmen", erklärt Reddemann. Die höchsten Werte seien demnach Ende November, Anfang Dezember zu erwarten. Helmut Rummel hat den Verdacht, den er auf seine eigenen, aufwendigen Recherchen stützt, dass nicht alle verzehrten Wildschweine gemessen wurden – und daher Bedenken, was das für die Jägerfamilien bedeutet, die Fleisch, das sie selbst verzehren, nicht messen lassen müssten.

Reddemann glaubt das schlicht nicht und betont: "Unsere Verantwortung als Jäger ist unbestritten."

Dass Jäger sogar Fleisch in den Handel bringen würden, das belastet ist, verneint er gleich doppelt: Zum einen führt das Landesamt für Gesundheit Untersuchungen im Wildhandel durch und man würde sich strafbar machen, zum anderen zahlt der Staat Ausgleichsgelder an den Revierbesitzer für Wildbret, das sie wegen der Strahlungsbelastung vernichten müssen.

Verbraucher können sich beim Fleischkauf den Messbogen zeigen lassen, den der Jäger immer mit abzuliefern hat.

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