IWA 2018: Zwischen Sturmgewehr-Selfie und Sport - Rundgang auf der Waffenmesse

Zu Besuch auf der IWA Outdoor Classics, der wichtigsten deutschen Messe für Jagdwaffen, Sportwaffen, Outdoor-Ausrüstung und Sicherheitsausstattung. Eigentlich sollte man sich zwischen so vielen Waffen und Spezialisten im Umgang mit selbigen besonders sicher fühlen. Doch das Gegenteil war der Fall. Warum? Eine Spurensuche.
von  Christoph Elzer

Nürnberg - Die Waffenmesse IWA ist eine Messe der Widersprüche, nicht zuletzt der gesellschaftlichen. Das wird schon beim Grußwort des Nürnberger Oberbürgermeisters Ulrich Maly klar: Er betont, wie ganz Deutschland während der Olympischen Spiele mit den erfolgreichen Biathleten mitfiebert, zugleich aber ein Problem mit Schusswaffen hat. Wie sich alle nach möglichst großer Sicherheit sehnen, zugleich die Polizei aber am liebsten "mit Wattestäbchen ausrüsten" wollen. Wie Wildschweine sich beinahe unkontrolliert in unseren Wäldern vermehren, zugleich aber Jäger eine schlechte Stellung innerhalb der Gesellschaft haben.

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann greift dieses Thema auf: "Wir wollen unsere Sportschützen, unsere Jäger nicht kriminalisieren, sondern wir sind stolz auf sie", sagt der Schirmherr der Messe. Zugleich betont er, dass Waffen nur in den Händen ausgebildeter und charakterlich geeigneter Personen etwas zu suchen haben. Reichsbürger (hier nachlesen, was sie glauben und weshalb sie gefährlich sind) beispielsweise, zählt Herrmann explizit nicht zu diesem Kreis. Er wiederholte frühere Aussagen, wonach er dieser Gruppe von Staatsleugnern einst korrekt erworbene Waffenbesitzkarten nun wieder entziehen will.

Das Amok-Gewehr aus USA ist auf der IWA ein Star

Genau dieser Spagat ist es, der sich durch die ganze Messe zieht: Die ständige Diskrepanz zwischen Sport, Jagd und Security auf der einen Seite sowie dem sprichwörtlichen Overkill auf der anderen Seite. Da wäre beispielsweise die Firma Anschütz, die bei Kleinkaliber-Sportgewehren für Biathleten mittlerweile einen Marktanteil von mehr als 95 Prozent hat und deren technisch extrem anspruchsvolle Gewehre von allen Medaillengewinnern der diesjährigen Olympischen Winterspiele benutzt wurden. Dem gegenüber steht dann ein anderer Stand, an dem über einer Wand voller in Lizenz gebauter Sturmgewehre stolz steht: "AR-15 aus deutscher Wertschöpfung". Ja, genau. Jenes AR-15, mit dem die schlimmsten Amokläufe der USA verübt wurden, wie beispielsweise erst vor wenigen Wochen an einer Schule in Florida. Auf der Messe ist es ein Superstar.

Gleich mehrere Hersteller präsentierten stolz ihre Linzenzbauten des Sturmgewehrs AR-15.
Gleich mehrere Hersteller präsentierten stolz ihre Linzenzbauten des Sturmgewehrs AR-15.

Gleich mehrere Hersteller präsentierten stolz ihre Linzenzbauten des Sturmgewehrs AR-15.

Wer durch die elf Messehallen geht, sich die Stände der insgesamt 1.566 Aussteller ansieht, der kann nicht anders, als zu attestieren: Waffenbau ist nicht nur ein hochkomplexes Handwerk, sondern teilweise sogar echte Kunst. Da wäre beispielsweise die vierläufige Jagdbüchse, ein weltweit einmaliges Stück; oder das Messer mit filigran gravierten Griffschalen aus Mammutstoßzahn, dessen Entstehung so komplex war, dass sogar ein eigenes Buch darüber geschrieben wurde. Wenn man in diesem Teil der Messe unterwegs ist, flankiert von Ständern voller Landhausmode und Plastiktieren, die als Zielscheiben für Bogenschützen dienen, dann wirkt selbst das Waffengeschäft erstaunlich friedlich.

Von vergoldeten Handkanonen und Maschinenpistolen mit Plastikkügelchen

Doch dann gibt es eben auch noch die andere Seite, die mit Magazingrößen, Feuerraten und Kalibern, die mit dem Begriff Sport nicht mehr vereinbar sind. Eine "Handkanone" wie die Desert Eagle, ein Scharfschützengewehr Kaliber .50, ein Sturmgewehr mit Schalldämpfer - all das sind Waffen, die für das Schlachtfeld oder den Anti-Terror-Kampf und nicht für den Schützenverein gebaut werden. Und auch wenn die IWA ausschließlich Fachpublikum wie Jägern oder Händlern vorbehalten ist, merkt man schnell, wie viel Faszination diese Waffen auch bei einer solchen Zielgruppe ausüben.

Jeder will mal eine dieser Waffen, die in Deutschland überhaupt keine zivile Zulassung haben, in der Hand halten. Den Schlitten nach hinten ziehen, wieder nach vorne schnellen lassen und schließlich abdrücken. Mit dem HK 416 posieren, durchs Zielfernrohr des Steyr AUG schauen, ein Kalaschnikov-Selfie machen. Einmal Navy Seal spielen, einmal "Call of Duty" Realität werden lassen. Und genau an diesem Punkt wird klar, was die beunruhigende Komponente auf der IWA ist: Dass selbst Profis im Umgang mit (Jagd- und Sport-) Waffen sich der morbiden Faszination der Kriegswaffen nicht entziehen können.

Vergoldeter Overkill: Die berühmt-berüchtigte Desert Eagle.
Vergoldeter Overkill: Die berühmt-berüchtigte Desert Eagle.

Vergoldeter Overkill: Die berühmt-berüchtigte Desert Eagle.

Was für eine Anziehungskraft Waffen an sich und Kriegswaffen offenbar im Speziellen ausüben, unterstreicht auch ein Blick auf die Verkaufsschlager der Branche: Softairwaffen erlebten in den letzten Jahren einen gigantischen Boom und sind auch auf der IWA massenhaft vertreten. Sie verschießen keine lebensgefährlichen Patronen, sondern kleine Kunststoffkugeln, die zwar schmerzhaft sein können, aber (abseits der Augen) nicht allzu gefährlich sind. Daher sind sie auch für Personen ab 18 Jahren frei erhältlich und ganz Deutschland macht von dieser Regelung Gebrauch. Die Waffen verkaufen sich wie geschnitten Brot - wohl weil sie ihren "echten" Vorbildern wie Pistolen von Glock, Beretta oder Walther täuschend ähnlich sehen. Umarex, der Branchenprimus unter den Softair-Fabrikanten, bietet deshalb immer mehr Lizenz-Produkte an - neben Pistolen nun eben auch Sturmgewehre und Maschinenpistolen nach Vorbildern von Heckler & Koch.

Auf der IWA zeigt sich: Wir Deutschen sind immer sehr schnell darin, die USA für ihre wahnwitzigen Waffengesetze zu kritisieren. Aber wenn sie in Deutschland etwas lockerer wären, würde die Situation hier nicht ein bisschen anders aussehen. Denn große Kaliber und Gewehre üben (insbesondere auf Männer) eine scheinbar unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Und das ist es, was dieser Messe einen schalen Beigeschmack gibt.

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