Irre! Kostenexplosion bei Verkehrsprojekten

Der Bund Naturschutz hat analysiert, wie hoch die Kosten für Straßen- und Schienen-Neubauten angesetzt wurden – und was sie schließlich kosten. Sie sind 37 bis 350 Prozent teurer als geplant
von  Jasmin Menrad
Der Bau der Zweiten Stammstrecke in München ist umstritten. Auch deshalb, weil die Zweite Stammstrecke immer teurer wird. Seit dem Jahr 2000 bis heute sind die geplanten Kosten um 353 Prozent gestiegen.
Der Bau der Zweiten Stammstrecke in München ist umstritten. Auch deshalb, weil die Zweite Stammstrecke immer teurer wird. Seit dem Jahr 2000 bis heute sind die geplanten Kosten um 353 Prozent gestiegen. © Sven Hoppe/dpa

Der Bund Naturschutz hat analysiert, wie hoch die Kosten für Straßen- und Schienen-Neubauten angesetzt wurden – und was sie schließlich kosten. Sie sind 37 bis 350 Prozent teurer als geplant.

MÜNCHEN Knapp 400 Straßenbauvorhaben hat die bayerische Regierung für den neuen Bundesverkehrswegeplan in Berlin angemeldet. Etwa 17 Milliarden Euro würden sie alle kosten. Doch wenn der Finanzierungsrahmen gleich bleibt, dann würde die Verwirklichung dieser Verkehrsprojekte 160 Jahre dauern. Die üblichen Kostenexplosionen bei neuen Straßen, Brücken und Tunnel sind da noch nicht mit eingerechnet.

Der Bund Naturschutz (BN) hat jetzt Verkehrsprojekte in Bayern auf Kostensteigerungen untersucht – und festgestellt, dass die 37 bis 350 Prozent teurer werden, als zu Anfang geplant.

„Steuergelder müssen zu allererst für die Erhaltung und Sanierung des bestehenden Verkehrsnetzes ausgegeben werden, anstatt teure Prestigeprojekte neu zu starten“, fordert BN-Landesbeauftragter Richard Mergner.

Der BN behauptet, dass Neubauen für Gemeinden oft günstiger sei als Sanieren. Etwa wenn sie die Straßen neu bauen und in kommunaler Sonderbaulast finanzieren. Das heißt, dass die Kommune die Straße plant und der Freistaat den Bau bis zu 90 Prozent fördert.

Bei den neuen Straßen ärgert es den BN besonders, dass Kosten zu niedrig kalkuliert werden, um Zustimmung für die Projekte zu bekommen. Schon in der Planungsphase steigen die Kosten eklatant. „Wir brauchen von Anfang an eine reale Kosteneinschätzung, um auf ehrlicher Grundlage eine Entscheidung über ein Projekt und seine Alternativen treffen zu können“, sagt Mergner.

Der BN zeigt an Straßen-Neubauten, wie die Steuerzahler verschaukelt würden – weil alles immer viel teurer geriete als anfangs geschätzt.

  • Westumfahrung Würzburg: Die B26n soll das Autobahnkreuz Schweinfurt/Werneck (A 7 und A 70) mit der A3 bei Helmstadt verbinden und den Verkehr in Würzburg entlasten. Im Bundesverkehrswegeplan 2003 hieß es noch, das koste 189,5 Millionen Euro. 2011 hat das Bauamt Würzburg die Kosten auf 498 Millionen Euro geschätzt – obwohl noch nicht gebaut wird. Der BN kämpft dagegen, weil die Westumfahrung 2,5 Kilometer länger wäre als die Alternativstrecke. Er befürchtet, dass noch mehr Verkehr in die Region kommt.
  • Overfly Wertingen: Hier soll die Kreuzung der schwäbischen 8000-Einwohner-Gemeinde Wertingen ausgebaut werden. Durch Wertingen führt die für den Fernverkehr wichtige Staatsstraße. Um die zu sanieren, gibt’s keine Zuschüsse. Baue die Gemeinde aber einen neuen Kreisverkehr für die Einheimischen und darüber eine Brücke für den Fernverkehr, spare sie laut BN gegenüber einer Sanierung 400000 Euro – dank Subventionen. Statt geplanter 8,2 Millionen soll der Overfly Wertingen mittlerweile 14,5 Millionen Euro kosten.
  • Frankenschnellweg: Ein Lieblingsprojekt von Markus Söder sei der Teilabschnitt durchs Nürnberger Stadtgebiet: Statt über eine Ampelkreuzung sollen die Autos vierspurig fahren. Der BN bezeichnet das als „verkappte Stadtautobahn, die als Kreisstraße gebaut wird“, und fürchtet mehr Verkehr. 2008 sollte das Projekt noch 260 Millionen Euro kosten, jetzt läuft das Planfeststellungsverfahren, die Kosten sind bei 449 Millionen Euro. Der BN klagt dagegen.
  • Zweite Stammstrecke: Im Jahr 2000 hieß es einmal, die zweite Stammstrecke würde 537 Millionen Euro Kosten. Die Kosten werden inzwischen auf 2,4 Milliarden geschätzt. Eine Steigerung um 353 Prozent.
  • A94 AS Forstinning-Pastetten: Das sechs Kilometer lange Teilstück der A94 wurde 2011 eröffnet. 50 Millionen Euro hat das gekostet, das sind 23 Millionen mehr als noch 2003 geplant. Jetzt wird weiter zwischen Pastetten und Heldenstein gebaut. Bisherige Kostensteigerung: Nur 41 Prozent. Aber da ist – laut BN – noch Luft nach oben.
  • A8 Ausbau Rosenheim: In den nächsten Jahren will das Bundesverkehrsministerium die A8 von Rosenheim bis zur Landesgrenze sechsspurig ausbauen. Die Planungen laufen, die Kosten sind seit 2003 schon um 104 Prozent gestiegen. Mittlerweile heißt es, der Ausbau würde 1014 Millionen Euro kosten.

 

 

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