Irmingard hat Reim-Vorfahrt

NÜRNBERG - Verbeugung mit Charme und Blech: Nach Salzburg, Berlin und Wien werden Mnozil Brass mit ihrem Oper genannten musikkomödiantischen Abend "Irmingard" auch im Fürther Theater gefeiert.
Die Vorstellung beginnt mit der Schlussverbeugung, und auch sonst kann man in jeder Szene davon ausgehen, dass die Theaterwelt nicht ihren ordnungsmäßig lichtesten Tag hat — aber die Moral von der Geschicht steht exakt im Finale: „Mann und Weib in Seligkeit, das ist keine Kleinigkeit". Dazu piept statt der schmetternden Schicksalsgemeinschaft aus Tuba, Posaune und Trompeten die Blockflöte, während die Handglocken allerliebst bimmeln.
Die sieben Musikmonster von Mnozil Brass, Niederösterreichs gnadenlose Tsunami-Antwort auf das windige Geplätscher der deutschen Comedy-Welle, sind mit ihrem Stück „Irmingard“ (Auftragswerk von Salzburger Festspielen und Ruhr-Triennale) in der Oper angekommen — eventuell war es nur die Kantine, aber immerhin. Im Fürther Theater, wo das schräge Spektakel noch heute und morgen gastiert, gab es juchzende Begeisterung und ein paar irritierte Abonnenten-Blicke.
Der fränkische Weg der sieben Allzweck-Akteure, die weder Grimasse noch Schrittwechsel scheuen und ihrer fabelhaften Blasmusik eine gehörige Portion naturbelassenem Herrenvereins-Gesang beimengen, passt zu dieser Kunst aus lauter Dingen, die nicht zusammenpassen. Vor Jahren war die Truppe eine Sommer-Entdeckung der Katharinen-Ruine, dann sprang sie aufwärts ins Opernhaus und legte zuletzt mit „Das trojanische Boot“ im Serenadenhof an. Sie kommen rum.
Nicht ganz Monty Python, aber viel mehr als Insterburg & Co. — das ist Bernd Jescheks Textvorlage, auf der sich die Musiker mit choreographischer Disziplin und einem Studenten-Humor mit ausgelöschtem Verfallsdatum austoben. War der Begriff „Operette" bei der letzten Produktion eher dahinbehauptet, ist das Etikett „Oper" diesmal gar nicht so falsch. Die Geschichte von der schiachen Prinzessin Irmingard („Heißet sie nicht Irmingard? Egal, hier hat der Reim Vorfahrt") bohrt sich frontal ins Ersatzteillager der Musiktheater-Dramatik. Für die Sketch-Szenen, die sich beim Recken in den höheren Blödsinn gelegentlich auch mal einen Gag verrenken, ist Verlass auf die Farbgebung durch Töne. Das kolossale Gebläse von Mnozil Brass ist als Kompositions-Kollektiv im Einsatz, was dem Betrachter beim staunenden Hören der selbst im wilden Witzeln musikalisch makellosen Einsätze ermöglicht, zwischen Siegfried und Mariandl ganze Archiv-Abteilungen der Klanggeschichte verfremdet zu identifizieren. Oder es genießerisch bleiben zu lassen. Dann allerdings wird einem nicht auffallen, wie nah dieser Sound gelegentlich dem Kurt Weill der „Sieben Todsünden“ kommt, die demnächst in diesem Theater geprobt werden.
Wenn der schreckliche Drache, der nur durch Musik besiegt werden kann, aber alle professionellen Bläser-Attacken niederfaucht, ausgerechnet durch ein gemeinsam gesummtes „Schlafe mein Prinzchen“ überwältigt wird, gibt diese Opernwelt sogar zu denken. Die ganz große Kraft der Kunst gehört eben doch den Amateuren. D.S.