Insel-Beerdigung: Letzte Ruhe unter Rebstöcken
Idyllischer geht es fast nicht: Weinberge soweit das Auge reicht, ein Gipfelkreuz in weiter Ferne am Horizont, die Stille wird nur durch das Zwitschern der Vögel unterbrochen. Bürgermeister Guido Braun steht zwischen den Rebstöcken am Ortseingang von Nordheim am Main (Landkreis Kitzingen). "Das ist wirklich eine Traumlage", sagt der 50-Jährige.
Genau hier soll nicht etwa ein Baugebiet für Wohnhäuser, sondern Deutschlands erster Friedweinberg entstehen. "Wir gehen davon aus, dass im Frühjahr 2018 die ersten biologisch abbaubaren Urnen in den Boden kommen können", sagt der Chef der kleinen Gemeinde.
Der Friedweinberg wird eine Erweiterung des bestehenden Friedhofs sein. "Viele Nordheimer wollen ihren Hinterbliebenen mit der Grabpflege nicht zur Last fallen. Einige hatten deshalb bereits überlegt, sich in einem Wald beerdigen zu lassen", erinnert sich Braun. Doch denen habe er versprochen: "Wir können das bald auch bei uns anbieten."
Der Trend geht zu pflegefreien Gräbern, sagt der Experte
Damit reagiert die Gemeinde auf der fränkischen Weininsel auf einen gesellschaftlichen Trend, der vor keinem Friedhof Halt macht.
"Die Menschen wünschen sich vermehrt pflegefreie und pflegearme Grabanlagen", sagt Oliver Wirthmann, Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. Dem Bundesverband zufolge gibt es in Deutschland noch keinen Friedhof im Weinberg.
Im Moment stehen rund 1000 Rebstöcke auf der etwa 4000 Quadratmeter großen Fläche. Im Herbst sollen sie zum Teil gerodet werden.
Das Landratsamt mahnt bereits vorab, erzählt der Bürgermeister
Wie genau der Friedweinberg aussehen soll, ist noch unklar. Der Gemeinderat will bald mit einem Landschaftsarchitekten die Pläne besprechen.
Braun hat schon eigene Ideen. "Ich kann mir Sitzecken, Baumgruppen und Schattenspender vorstellen." Die Urnen könnten unter den Rebstöcken liegen, an den Pflanzen erinnern kleine Schilder mit den Namen an die Verstorbenen. Die Bewirtschaftung übernimmt die Gemeinde.
Schon jetzt ist das Interesse an einer Grabstätte im künftigen Friedweinberg groß. "Das ist eine feine Sache", sagt beispielsweise der 73 Jahre alte Franz Müller. Er und seine Frau wohnen auf der Maininsel. Sie haben keine Kinder. "Also kann unsere Gräber später keiner pflegen. Der Friedweinberg ist deshalb ideal", sagt der Rentner.
Bislang dürfen auf dem Friedhof nur Einheimische begraben werden. "Mit dem Friedweinberg aber kann ich mir eine Änderung dieser Regel gut vorstellen", sagt der Bürgermeister.
Auch aus finanziellen Gründen – kostendeckend ist der Friedhof aktuell nicht. "Auswärtige müssten zu den regulären Gebühren noch eine Pauschale zahlen", überlegt Braun. Über den Verkauf von "Friedhofswein" können diese Kosten nicht wieder reinkommen: Das Landratsamt habe bereits angemahnt, dass die Trauben von den Stöcken des Friedweinberges nicht zu Wein gemacht werden dürften. "Das wollen wir aber auch nicht. Von der Asche in die Flasche – das wäre schon komisch."
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