Insekt des Jahres: Der Hirschkäfer ist wieder da
Gerolfing - Lästige Ameisen im Garten und juckende Mückenstiche – Insekten sind nicht gerade beliebt bei den Menschen. Um das Image der Gliederfüßler aufzupolieren, wurde in diesem Jahr die Auszeichnung „Insekt des Jahres“ an den Hirschkäfer verliehen. Er punktete bei den Wissenschaftlern des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts (SDEI) im brandenburgischen Müncheberg mit seinem „imposanten Auftreten“. Doch der kleine Krabbler ist selten geworden in Deutschland. Er steht auf der Roten Liste für bedrohte Tiere. Ändern soll das ein Projekt in Ingolstadt. Und das zeigt erste Erfolge: Der Hirschkäfer ist zurück in Oberbayern.
Auf den ersten Blick sehen sie aus wie achtlos aufgetürmtes Holz. Tatsächlich haust in den Brutholzmeilern auf einer Lichtung in den Donauauen nahe Ingolstadt seit 2011 wieder der Hirschkäfer. „Wir sind froh, dass wir ihn überhaupt nachweisen konnten“, sagt Ralf Zange, Biologe vom Ingolstädter Umweltamt. In diesem Jahr wurde der Käfer zwar noch nicht gesichtet, Zange ist sich aber sicher: „Der wird wahrscheinlich abrupt auftauchen, sobald es kontinuierlich trocken bleibt.“
Im Gerolfinger Eichenwald bieten vier Meiler aus allem, was der Laubwald hergibt, den Käfern Unterschlupf. Bei Projektstart 2007 hieß es noch: „Wir betreiben hier sozialen Wohnungsbau für gefährdete Arten.“ Damals hatten die Biologen wenig Erfahrung mit Bruthilfen. Eichenwälder gebe es kaum mehr und wenn, dann würden sie meist wirtschaftlich genutzt. Totholz, in dem Insekten nisten könnten, liege selten herum.
Der Hirschkäfer ist ein Sympathieträger
In Europa ist der Hirschkäfer einer der Großen unter den Kleinen. Durchschnittlich sechs Zentimeter lang – knapp zigarettenschachtelgroß – werden die mit einem Chitinpanzer und einem geweihartigen Oberkiefer ausgestatteten Männchen. Weibchen sind nur etwa halb so groß. Laut Julius-Kühn-Institut (JKI) leben ausgewachsene Tiere höchstens einen Monat. Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen Hirschkäfer als Larven. Bis zu sieben Jahre harren sie im abgestorbenen Holz im Verborgenen aus, bis ein neuer Käfer schlüpft. Daher ist es so wichtig, dass der Hirschkäfer zur Brut Totholz findet.
Im Mai oder Juni fliegt der seltene Käfer bei Dämmerung brummend durch die Eichenwälder. Noch bemerkenswerter als sein Äußeres und das lärmende Brummen ist das Wirken des Krabblers für den natürlichen Kreislauf im Wald. „Als Glied des Ökosystems helfen die Larven dabei, totes Holz umzusetzen und Humus zu produzieren“, erklärt eine SDEI-Sprecherin. Darum sei der Hirschkäfer mit dem Titel „Insekt des Jahres“ gekürt worden. „Jeder kennt ihn, aber kaum einer sieht ihn. Dabei ist er ein echter Sympathieträger“, sagt sie.
Projekt in Ingolstadt findet Nachahmer
Der Erfolg der Gerolfinger Meiler ließ nicht lange auf sich warten. „Wir haben zurzeit 328 Totholzkäferarten in dem gesamten Meilergebiet“, freut sich Zange. 50 Prozent davon stünden auf der Roten Liste für gefährdete Arten. Einige seien seit Jahren erstmals wieder in Oberbayern aufgetaucht, so auch der Hirschkäfer. Zange bremst allerdings die Euphorie: „Einzelfunde bestätigen die Arbeit, stellen aber noch nicht zufrieden. Ich hätte natürlich lieber eine dichte Population“, betont er. Ob dies gelinge, müssten die nächsten zwei Jahre zeigen.
Mittlerweile geben die Ingolstädter ihren Nachbarn sogar Nachhilfe. Die Städte Altötting und Ebersberg hätten sich schon nach dem Erfolgsrezept der Meiler erkundigt, sagt Zange. Der Biologe, der sich als „Einzelkämpfer“ für Käfer bezeichnet, zieht eine erste positive Bilanz: „Die Arbeit hat sich gelohnt, es gibt im europäischen Raum kein anderes Projekt in diesem Umfang und über diesen Zeitraum. Deshalb haben wir auch die große Artenvielfalt.“
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