Innenleben einer Milliardärs-Familie

„BR alpha” zeigt bisher unveröffentlichtes Material. Ein Filmteam durfte Karl Diehl jahrelang begleiten – auch im privaten Reich
von  Abendzeitung
Die Namenslisten der Zwangsarbeiter: ein dunkles Kapitel.
Die Namenslisten der Zwangsarbeiter: ein dunkles Kapitel. © Jim G. Tobias

NÜRNBERG Geschrieben wurde viel über ihn, ins Herz schauen ließ er sich nur von wenigen: Karl Diehl (100), der patriarchalische Firmen-Boss, der großzügige Kunstmäzen, der umstrittene Ehrenbürger der Stadt. Gut zwei Jahre nach seinem Tod im Januar 2008 geht die TV-Journalistin Evi Kurz in einer Dokumentation (6. März, 15.30 Uhr, BR alpha) der Frage nach: Wer ist der wirkliche Karl Diehl?


Diskretion war ein Markenzeichen, das Karl Diehl Zeit seines Lebens sorgsam pflegte. Umso erstaunlicher ist es, dass er sich jahrelang von einer Kamera begleiten ließ. Gedreht wurde an privaten und betrieblichen Orten, an denen bislang keine Kamera zugelassen war. Gezeigt werden Bilder, Dokumente und vor allem Filme aus dem Privatbesitz der milliardenschweren Familie, die noch keiner sah.
Evi Kurz hat mit Karl Diehl und seinen Söhnen gesprochen. Sie war dabei, als der Patriarch seine langjährige Sekretärin in den Ruhestand verabschiedete. Sie hielt fest, wie der Unternehmer im hohen Alter den Lehrlingen seines Betriebs über die Schulter schaute. Sie filmte, wie er mit 1500 Pensionären seines Unternehmens Weihnachten feierte. Und sie begleitete mit ihrem Team auch die Feierlichkeiten zu seinem 100. Geburtstag. Selbst bei der bewegenden Trauerfeier nach seinem Tod war sie dabei.

Unideologischer Profiteur des 3. Reiches


Geld und Macht waren die Komponenten, die Karl Diehl stets antrieben. Mit den wichtigsten Figuren aus dem politischen und wirtschaftlichen Leben des Landes befand er sich stets auf Tuchfühlung. Da machte auch das Dritte Reich keine Ausnahme. Die mächtige Sogwirkung des totalitären Staatssystems, dem sich Karl Diehl untergeordnet hatte und seine Waffen- und Munitionsproduktion auch mit Hilfe von Zwangsarbeitern in die Höhe trieb, bekam er bis zum Schluss zu spüren. Seine Ernennung zum Ehrenbürger (1997) stieß deshalb auf erbitterte Kritik.
Auch in der TV-Produktion wird das dunkle Kapitel der Firmengeschichte nicht ausgenommen. Professor Gregor Schöllgen, Ordinarius für Neuere Geschichte an der Uni Erlangen und Diehl-Biograph, rückt allerdings die Relationen zurecht. Er ist sich sicher, dass der Rüstungsproduzent aus rein pragmatischen Gründen der NSDAP beitrat, mit der nationalsozialistischen Idee, vor allem der Rassenideologie, aber wenig am Hut hatte. Ein wirtschaftlicher Profiteur war er auf jeden Fall.


Karl Diehl, das macht der Film klar, war verschwiegen und schwer durchschaubar. Aber er war auch der Mann mit dem sicheren Instinkt für das Geschäft. Das machte ihn nach dem Krieg richtig groß. Das Unternehmen, das er erst im hohen Alter an seine drei Söhne übergab, hat weltweit rund 10000 Mitarbeiter und macht einen jährlichen Umsatz von fast zwei Milliarden Euro. Die Rüstungsgüter, die der Konzern im Familienbesitz für die Bundeswehr und die Nato produziert, machen nur noch ein Drittel des Gesamtumsatzes aus. Für die RAF-Terroristen war das noch immer zu viel. Sie setzten Karl Diehl auf ihre Todesliste. hr

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