In unseren Altenheimen gibt's täglich bis zu fünf Hitze-Tote
Experte schlägt Alarm: Alte Menschen leiden unter den extrem hohen Temperaturen
NÜRNBERG Wenn die Temperaturen wieder über 30 Grad steigen, dann freuen sich zwar Eisverkäufer und Bademeister. Doch gerade jetzt besteht für alte und kranke Menschen akute Lebensgefahr: Alten- und Pflegeheime werden zur Hitzefalle! Karsten Brandt vom Wetterservice „donnerwetter.de“ hat heimliche Messungen in Seniorenheimen gemacht. Sein Fazit: „In einer Großstadt von der Größe Nürnbergs kann man an einem heißen Tag mit fünf zusätzlichen Todesfällen rechnen.“
"Die Sterberaten schießen in die Höhe"
Als Grund hat der Experte die Überhitzung der Gebäude ausgemacht. Denn gerade dort, wo alte Menschen gepflegt werden, herrschen lebensgefährliche Temperaturen. Brandt: „In den Pflegeheimen steht die Luft. Es stinkt, die Feinstaubbelastung ist sehr hoch, und auch die Kohlendioxidwerte sind erhöht.“ In vielen Zimmern hat Brandt Temperaturen von weit über 30 Grad emessen. „Weil die Zimmer nachts kaum abkühlen, finden die Patienten keinen Schlaf mehr. Die Sterberaten schießen in die Höhe“, schlägt er Alarm.
Enikoe Bán von der Heimaufsicht der Stadt Nürnberg kennt die Probleme, die alte Menschen mit der Hitze haben. „Es ist ganz wichtig, dass sie dann genügend trinken“, sagt sie. Sonst könne es gefährlich oder sogar lebensbedrohlich werden. Bei ihren Kontrollen in den Heimen achtet sie deshalb derzeit verstärkt darauf, ob die Heimbewohner genügend zu trinken haben.
Heimaufsicht lässt sich die Flüssigkeitsprotokolle der Patienten vorlegen
„Wir lassen uns bei pflegebedürftigen Patienten die Flüssigkeitsprotokolle vorlegen. In denen wird festgehalten, wann und wie viel die Senioren getrunken haben.“ Außerdem achtet die Heimaufsicht darauf, dass immer Getränke griffbereit vorhanden sind.
Denn „bei alten Menschen“, so Dr. Heidemarie Lux vom Nürnberger Klinikum, „ist das Durstempfinden nicht so ausgeprägt“. Wenn es heiß ist und sie schwitzen, gleichen sie den Flüssigkeitsverlust deshalb nicht aus. Lux: „Das kann dann zu einem Kollaps oder zu Nierenversagen führen. Außerdem nimmt die Verwirrtheit zu, wenn der Körper zu wenig Flüssigkeit hat.“
Mit einfachen Mitteln kann alten Menschen geholfen werden
Ob es bei einer Hitzewelle zu mehr Todesfällen in Altenheimen kommt, kann Enikoe Bán von der Heimaufsicht jedoch nicht sagen. „Darüber gibt es keine Statistik. Wir bekommen nicht jeden Todesfall gemeldet.“
Umso wichtiger sind Messungen, wie sie Karsten Brandt in bundesdeutschen Heimen durchführt: „Schon mit einfachen Mitteln wie Rollläden, besserem Lüften oder einer Klimaanlage könnte den alten Menschen geholfen werden. Das sollten sie uns wert sein!“
Michael Reiner