In Nürnbergs Schmuddel-Ecke wird aufgeräumt
St. Leonhard und Schweinau werden zum neuen „Stadtentwicklungs- gebiet“: Millionen- Investitionen für Wohnungsbau, Verkehr, Kultur, Bildung und Gesundheit sollen das „Ghetto- Image“ bekämpfen.
NÜRNBERG Dubiose Geschäfte, Prostitution, Straßengewalt, eingeschüchterte Anwohner, marode Bausubstanz, fehlende Grünflächen, Arbeitslosigkeit (12 Prozent), Armut, ein großer Migrantenanteil (36 Prozent) und hohe Fluktuation – St. Leonhard ist nicht das, was Stadtplaner als Wohlfühl-Stadtteil bezeichnen können: Bei der Haushalts- und Wohnungserhebung 2005 bewerteten die Menschen in Leonhard und im nördlichen Schweinau ihre Wohnviertel auffallend negativ.
Das soll sich in den nächsten zehn bis 15 Jahre ändern – St. Leonhard und Teile Schweinaus sind ab kommender Woche „Stadtentwicklungsgebiete“: Mit städtebaulichen, sozialen, kultur- und bildungspolitischen Maßnahmen will die Stadtverwaltung Nürnbergs Schmuddelecke, das „Südwest-Ghetto“, aufräumen und den knapp 17000 Bewohnern lebens- und liebenswerte Wohnviertel schaffen.
Leuchtende Vorbilder: Gostenhof und Nord-Ost-Bahnhof
„So wie in Gostenhof“, erinnert Wirtschaftsreferent Roland Fleck an die Renaissance des benachbarten Ex-„Glosschermverddels“, das sich zu einem „attraktiven Stadtteil“ gemausert habe. Oder wie die Gegend um den Nordostbahnhof, die mittlerweile viel freundlicher daher komme als noch vor einigen Jahren, bemerkt Klaus Riedel vom Amt für Wohnen und Stadterneuerung.
110 Millionen Euro hat die Stadt Nürnberg bislang in 13 Stadterneuerungsgebiete investiert. Die wiederum Privatinvestitionen von 900 Millionen Euro ausgelöst haben: „Jeder öffentliche Euro ist Motivation für private Anleger“, weiß Fleck. Konkret: Wenn beispielsweise die städtische Wohnungsbaugesellschaft marode Häuser saniert, ziehen die Besitzer umliegender Immobilien nach.
Brennpunkte an allen Ecken und Enden
Das neue Stadterneuerungsgebiet Leonhard/Schweinau ist mit seinen 145 Hektar das größte aller Projekte, reicht vom Frankenschnellweg im Norden bis zur Nopitschstraße im Süden – mit Brennpunkten an allen Ecken und Enden.
Beispiel Fuggerstraße: Hier haben sich Gebrauchtwagenhändler breit gemacht – im wahrsten Sinne des Wortes: „Da die Flächen kaum Rangiermöglichkeiten bieten, werden die Geschäfte häufig auf der Straße abgewickelt“, weiß Fleck. Darüber hinaus erhöhen die ansässigen Bordellbetriebe nicht unbedingt den Wohlfühlfaktor.
Beispiel Carl-von-Ossietzky-Schule: Die räumliche Situation ist angespannt, der Migrantenanteil an der Hauptschule ist auf über 70 Prozent geklettert, nur 6 Prozent der Absolventen fanden 2007 einen Ausbildungsplatz. Auch der allgemeine Gesundheitszustand der Schüler sei schlecht, berichten Lehrer.
Beispiel Leonhardsplatz: Um den in der 80ern gestalteten Platz stehen viele Gebäude leer, er wird nicht als Ruhezone wahrgenommen, erscheint karg und unwirtlich.
Um den vielen Problemen Herr zu werden, will die Stadt in den nächsten zehn Jahren „einen siebenstelligen Betrag“ (Fleck) in Wohnungsbau, Verkehr, Kultur, Schulen und Gesundheit investieren – als Zentrale soll ein Stadtteilbüro das Quartiersmanagement organisieren.Steffen Windschall
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