In einigen Behindertenheimen werden Menschen eingesperrt

Im April schreckte ein Bericht über eingeschlossene Kinder und Jugendliche in bayerischen Behindertenheimen das Sozialministerium auf. Nach einer Untersuchung ist klar: Sogenannte "freiheitsbeschränkende Maßnahmen" gibt es ziemlich oft.
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Wenn es zu "freiheitsbeschränkenden Maßnahmen" kommt, dann nur zum Schutz der betroffenen, beteuert das Ministerium.
dpa Wenn es zu "freiheitsbeschränkenden Maßnahmen" kommt, dann nur zum Schutz der betroffenen, beteuert das Ministerium.

Im April schreckte ein Bericht über eingeschlossene Kinder und Jugendliche in bayerischen Behindertenheimen das Sozialministerium auf. Nach einer Untersuchung ist klar: Sogenannte "freiheitsbeschränkende Maßnahmen" gibt es ziemlich oft.

München - In der Hälfte aller Heime für behinderte Kinder und Jugendliche in Bayern gibt es sogenannte "freiheitsbeschränkende Maßnahmen". Das geht aus einem Bericht hervor, den Sozialministerin Emilia Müller (CSU) am Donnerstag in München vorgestellt hat. Darunter fallen vergitterte Betten oder - in knapp 20 Prozent der Einrichtungen - auch Time-Out-Räume, in die Kinder und Jugendliche gebracht und in denen sie in einigen Fällen auch eingeschlossen werden.

Das Ministerium war im April von einem Bericht des Bayerischen Rundfunks über eingeschlossene Kinder und Jugendliche in bayerischen Heimen aufgeschreckt worden, hatte einen Expertenrat einberufen und alle 104 stationären Einrichtungen mit insgesamt 4000 Kinder und Jugendlichen überprüft. Darunter fielen allerdings auch Einrichtungen für blinde oder gehörlose Kinder.

Müller beteuert: Einsperren nie als Strafe

Die Ministerin betonte, nahezu alle dokumentierten "freiheitsbeschränkenden Maßnahmen" seien getroffen worden, um das jeweilige Kind oder andere zu schützen. Daher seien sie gerechtfertigt gewesen. Im Bericht heißt es: "Von keiner der 104 geprüften stationären Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung wurden freiheitsbeschränkende Maßnahmen als Strafe eingesetzt."

Sieben "gravierende Mängel" wurden laut Bericht allerdings festgestellt. In zwei Fällen wurden Bewohner nachts eingeschlossen, weil zu wenig Nachtdienstmitarbeiter vorhanden waren. In einem anderen Fall bekam ein eingeschlossener Bewohner einen Toiletteneimer. Beides wurde verboten.

Mit einem "Zehn-Punkte-Plan" will Müller die Situation nun verbessern. So sollen Eltern und auch die Kinder und Jugendlichen selbst beispielsweise stärker einbezogen werden. Außerdem soll es Beratungs- und Beschwerdestellen und Fortbildungen für die Beschäftigten geben.

Caritas: "Heimrichtlinien erneuern!"

Ganz neu ist das alles nicht, meint der Landes-Caritasdirektor Bernhard Piendl. "Diese Empfehlungen entsprechen ohnehin weitestgehend dem üblichen Standard", sagte er. Aus seiner Sicht müssen vor allem die Heimrichtlinien überarbeitet werden: "Die derzeit gültigen sind im Bereich der freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nicht ausreichend."

Bislang ist - anders als bei Erwachsenen - kein richterlicher Beschluss nötig, wenn Kinder und Jugendliche mit Behinderungen eingeschlossen werden. Bayern will sich nach Angaben Müllers auf Bundesebene für eine Überprüfung dieser Praxis einsetzen - ein Schritt, der nach Ansicht des Würzburger Kinderpsychiaters Marcel Romanos längst überfällig ist. Der Richtervorbehalt sei eine "ganz zentrale Maßnahme auch für Kinder und Jugendliche". Bei Erwachsenen habe er dazu geführt, dass es deutlich weniger "freiheitsbeschränkende Maßnahmen" gebe.

Ein anderes großes Problem sieht er - genau wie Petra Nölkel vom Deutschen Familienverband - in der geringen Anzahl der Plätze. Es gebe in Bayern nicht genug Heime für Kinder und Jugendliche mit schwersten, mehrfachen Behinderungen.

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