In der Hitze einer Nacht
NÜRNBERG - Baris Karademir inszenierte August Strindbergs „Fräulein Julie“ am Nürnberger Gostner Hoftheater.
Zu Beginn stehen sie an der Rampe, blicken und sprechen ins Publikum: zwei Frauen und ein Mann, die klassische Dreiecksgeschichte. So einfach aber hat es der Schwede August Strindberg sich und uns nicht gemacht in seinem Kammerspiel „Fräulein Julie“ von 1889. Ein Experiment der Macht und der Geschlechter ist es: Wer verführt wen, wer will was erreichen?
Als Versuchsanordnung hat Baris Karademir, zuletzt zu Gast mit einem stummen „Feierabend“, seine „Julie“ im Gostner Hoftheater angelegt. Dann aber, in der Hitze der Mittsommernacht, umtänzeln sich Jean und Julie wie zwei Leichtgewichte vor dem ersten Schlag. Während Jeans Verlobte Kristin bitter von zehn an herunterzählt, balancieren sie auf Baumstämmen, die auf der braunen Erde wie ein Hindernisparcours liegen, tanzen wie rasend im Kreis, und natürlich wird Julies elegantes Unschuldsweißkleid am Ende ziemlich dreckig sein.
Ein Balanceakt ist auch Ulrike Fischers Julie: Kind und Frau zugleich, mit einer nachlässigen Arroganz in Haltung und Blick, scheint die Begierde unter ihrer blassen Haut zu pulsieren. Weniger Nuancen kennt Raubein Jean (Alexander Grünberg), als Charmeur und Begehrender ganz Fleisch mit treibendem Atem. Jeans Verlobte Kristin (Christin Balogh) sendet in Leid wie im Triumph Schlafzimmerblicke unter erhobener Augenbraue.
So wird in 80 Minuten trotz packender Momente zu schnell festgeklopft, was ein kunstvolles Spiel mit der Schwebe hätte sein können. Die Frage, warum unstandesgemäßer Sex eine Frau heute noch in den Selbstmord treiben soll, bleibt offen. Georg Kasch
Nächste Termine: 11.-14., 18.-21., 25.-28. Februar, 20 Uhr.
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