In der ewigen Ruhe liegt die poetische Kraft
Einfach zeitlos gut: Tristan Vogts Remake von „Gibt es ein Leben nach der Vorstellung“
War es Mystik oder nur schlechte Luft, ist alles Wahn oder bloß ein manipuliertes Schauspiel, fand es vorgestern statt oder vor 20 Jahren? Wer am Ende von Tristan Vogts „Gibt es ein Leben nach der Vorstellung“ aus dem Burgtheater in die bewirtschaftete Altstadt tritt, kann sich seiner Existenz nicht mehr ganz sicher sein. War doch grade ein vielköpfiges Ensemble von handbetriebenen Totenmasken so frei, ihm die feuchtgelagerten Gedanken im Kopf durch ein paar Trockengänge zu schleudern. Da schnappt man nach Sauerstoff und Erkenntnis.
Philosophische Fallen im Burgtheater
Die Erinnerung an das starke Stück, das sich Tristan Vogt noch vor seiner „Kompagnon“-Karriere um 1991 erlaubte, hat nicht getrogen. Die Radikalpoesie, die zuletzt Kafkas „Schloss“ so eindrucksvoll überwölkte, war in dieser frühen Arbeit im Geiste des absurden Theaters schon voll ausgebildet wegweisend. Von heute aus betrachtet sogar kompromissloser als bei vielen späteren Produktionen.
Der Puppenspieler ohne Gesicht, der als schwarzer Mann mit schwebenden Händen seine Kopfgeburten wie durch ein sinfonisches System steuert, entzieht dem Zuschauer die Eindeutigkeit, lockt ihn in philosophische Fallen und mag die Sinn-Frage auch im Dialog nicht lösen: „Ruhe? – Du mit deiner ewigen Ruhe! – Mit der ewigen Ruhe ist nicht zu spaßen.“
So melancholisch wie nie
Das jubilierende Burgtheater hat sich an Zeiten erinnert, als sein Programm noch nicht auf Satire fokussiert war. Wohl nur dieser Tatsache war das runderneuert bildstarke Remake zu verdanken, wo die Distanz von zwei Jahrzehnten zum Schluss einfach verschwunden ist.
„Wir werden gesteuert", warnt einer der Masken-Köpfe auf der Bühne mit Blick auf den griffbereiten Hintermann und „die Fratzen“ im Zuschauerraum – aber da tätschelt ihm sein Puppen-Psychiater gleich mit professioneller Samtstimme die Skepsis weg. Das Leben ein Traum oder etwa doch eine Vorstellung – dann jedoch nicht unbedingt die eigene. So melancholisch war Tristan Vogt nie wieder, so zeitlos ist er seither immer.
Dieter Stoll
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