Immense Schäden, viele Verletzte: Schwere Unwetter in Bayern

Das heftige Unwetter über Bayern hat eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Für das Chiemsee-Summer-Festival bedeutet es sogar das vorzeitige Aus. Die Polizei zieht erste Bilanz.
von  AZ/cel, dpa
Schwere Unwetter sorgten in ganz Bayern für Chaos und Verwüstung. Die Bilder.
Schwere Unwetter sorgten in ganz Bayern für Chaos und Verwüstung. Die Bilder. © dpa

München/Übersee - Das Unwetter über Bayern hat den Polizisten vor allem im südlichen Teil des Freistaats in der Nacht zum Samstag weit mehr als 1.000 Einsätze beschert. Dutzende Menschen wurden verletzt, die Sachschäden gehen in die Hunderttausende.

Die Veranstalter des Chiemsee-Summer-Festivals in Übersee (Landkreis Traunstein) sagten am Samstag den letzten Tag des Events ab. Das habe die Bestandsaufnahme des Geländes mit Schäden an den Bühnen und der Infrastruktur ergeben, teilten die Organisatoren im Internet mit. Der Bahnverkehr war gerade in Ober- und Niederbayern am Samstag noch auf vielen Strecken wegen Ästen und Bäumen auf Gleisen beeinträchtigt.

Schweren Herzens mussten die Veranstalter den letzten Tag des Chiemsee Summer 2017 absagen.
Schweren Herzens mussten die Veranstalter den letzten Tag des Chiemsee Summer 2017 absagen.

Schweren Herzens mussten die Veranstalter den letzten Tag des Chiemsee Summer 2017 absagen. Foto: Chiemsee Summer

Allein die Einsatzzentrale des Präsidiums Oberbayern Süd verzeichnete zwischen 21.00 und 1.00 Uhr mehr als 700 Einsätze, Notrufe waren zeitweise überlastet. "Im gesamten Bereich wurden Bäume umgeknickt und dadurch Straßen blockiert", hieß es. Äste und Bäume seien auf Autos gefallen, mehrere Menschen wurden verletzt. Auf dem Chiemsee suchte die Wasserwacht lange Zeit nach einem gekenterten Ruderboot. "Diese Mitteilung hat sich jedoch nicht bestätigt oder die Havarierten konnten sich selbst helfen." Bei Siegsdorf (Landkreis Traunstein) mussten Feuerwehrkräfte einen Zug erden, nachdem dieser im Bereich einer herabgerissenen Stromleitung stehen geblieben war. Die etwa 90 Fahrgäste wurden in einer Turnhalle untergebracht.

Schwere Schäden auf bayerischen Festivals

"Die Gewitterneigung war bekannt, nun ist das südöstliche Oberbayern jedoch von einem weit heftigeren als von den Wetterdiensten zunächst prognostizierten Sturm überzogen worden", hatte die Polizei in der Nacht mitgeteilt. Laut Deutschem Wetterdienst waren vor allem in Südbayern binnen kurzer Zeit erhebliche Regenmassen niedergeprasselt. Hinzu kamen den Angaben zufolge schwere Sturmböen. Einige seien mit weit mehr als 100 Kilometern pro Stunde orkanartig gewesen.

Das Chiemsee-Summer-Festival und das Echelon-Festival in Bad Aibling (Landkreis Rosenheim) wurden abgebrochen. "Es wurden 50 Personen medizinisch behandelt, darunter auch viele, die durch die Ereignisse verängstigt waren und eine psychologische Betreuung in Anspruch genommen haben", teilten die Veranstalter des Chiemsee Summers mit. Zehn Menschen seien ins Krankenhaus gekommen. "Es gibt keine lebensbedrohlichen Verletzungen, was uns sehr erleichtert."

Die Organisatoren hatten Verletzte über Soziale Netzwerke zu Sanitätern dirigiert. Eine Info-Hotline wurde für diejenigen eingerichtet, die Begleiter suchen. Weil die Campingplätze total verwüstet wurden, öffneten Notunterkünfte für Festivalbesucher.

Beim Echelon-Festival meldete die Polizei etwa zehn Verletzte, darunter keiner schwer. Gäste kamen in einer Fliegerhalle unter. Der Festivalbeginn sollte sich am Samstag "aufgrund dieser Umstände" auf 13.30 Uhr verschieben, hieß es auf der Facebook-Seite.

Niederbayern: Zug kracht gegen Baum

Im Regierungsbezirk Niederbayern waren die Polizisten mehr als 250 Mal im Einsatz: Blitzeinschläge, abgedeckte Häuser, umgestürzte Bäume, auf der Fahrbahn liegende Äste, Stromausfälle von ganzen Ortschaften, (Fehl-)Alarme, Verkehrsunfälle mit Sachschaden, vollgelaufene Keller und überschwemmte Straßen. In Neustadt an der Donau fuhr ein Zug auf einen Baum. Die Einsatzkräfte mussten 20 Fahrgäste und den Zugführer befreien. Niemand wurde verletzt. Auf die Autobahn 3 bei Passau-Nord stürzten 15 bis 20 Bäume auf die Fahrbahn. In Kirchdorf im Wald erlitt ein Musiker in einem Bierzelt einen Stromschlag. Ein Blitz hatte in das Festzelt eingeschlagen.

Das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West berichtete von rund 230 unwetterbedingten Einsätzen. Bei Verkehrsunfällen wegen Bäumen auf der Fahrbahn oder Aquaplanings wurden zwei Menschen verletzt. Umstürzende Bäume beschädigten mehrere Gebäude und geparkte Autos. Die A7 musste für etwa eine halbe Stunde zwischen Kempten-Leubas und Dietmannsried voll gesperrt werden, um einen Baum von der Fahrbahn zu entfernen. Den Gesamtschaden allein im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums schätzten die Beamten auf rund 150.000 Euro. In Günzburg wurde das Volksfestgelände mit bis zu 5.000 Besuchern vorsorglich geräumt. Die Abendveranstaltung der Allgäuer Festwoche in Kempten lief den Angaben zufolge hingegen planmäßig bis zum Ende.

Chaos in München – aber keine Verletzten

In München war am Freitagabend der S-Bahn-Verkehr für rund 40 Minuten komplett eingestellt worden. Wegen des Unwetters wurde auch die zweite Hälfte des Bundesliga-Auftaktspiels zwischen dem FC Bayern München und Bayer Leverkusen verspätet angepfiffen.

Schwere Unwetter sorgten in ganz Bayern für Chaos und Verwüstung. Die Bilder.
Schwere Unwetter sorgten in ganz Bayern für Chaos und Verwüstung. Die Bilder.

Bei der Münchner S-Bahn ging zeitweise nichts mehr. Foto: dpa

Die Feuerwehr in der Landeshauptstadt berichtete von mehr als 100 Einsätzen und warnte vor überfluteten Unterführungen - twitterte aber zugleich, es habe keine Verletzten durch Unwetter im Stadtgebiet München gegeben. Wegen des Unwetters wurde auch die zweite Hälfte des Bundesliga-Auftaktspiels zwischen dem FC Bayern München und Bayer Leverkusen verspätet angepfiffen.

In Weßling (Landkreis Starnberg) wurde ein Mann auf einem Spielplatz von einem umstürzenden Baum getroffen, wie ein Polizeisprecher sagte.

Wetterdienst: "Das ist schon ziemlich heftig"

In der Oberpfalz wurden vier Menschen bei Verkehrsunfällen unter anderem wegen Aquaplanings verletzt. Ab etwa 19.00 Uhr bis gegen Mitternacht waren die Beamten in dem Bezirk an die 50 Mal wegen des Unwetters im Einsatz. In Mittelfranken wurden Häuser abgedeckt und ein Wohnwagen umgeweht. Die Bayerische Schlösserverwaltung teilte mit, dass die Burg Cadolzburg (Landkreis Fürth) am Wochenende wegen Sturmschäden geschlossen bleibe. Dachziegel seien herabgestürzt.

Allein die Polizei habe in Mittelfranken seit 17:00 Uhr rund 170 wetterbedingte Einsätze gehabt, sagte ein Sprecher. Ein Kollege des Präsidiums Schwaben Nord hingegen berichtete von nur einigen Dutzend Einsätzen. "Wir sind relativ glimpflich davongekommen."

Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) waren vor allem in Südbayern binnen kurzer Zeit erhebliche Regenmassen niedergeprasselt. Für München meldete ein Sprecher 27 Liter innerhalb einer halben Stunde. Im niederbayerischen Vilsheim (Landkreis Landshut) seien es 32 Liter gewesen. "Das ist schon ziemlich heftig", sagte der DWD-Mitarbeiter. Hinzu kamen den Angaben zufolge schwere Sturmböen. Einige seien mit weit mehr als 100 Kilometern pro Stunde orkanartig gewesen.

Im Laufe der Nacht zog das Unwetter Richtung Bayerischem Wald ab. Die Gewitter schwächten sich ab. Der Hochwassernachrichtendienst Bayern gab für mehrere Landkreise im Süden des Freistaats Vorwarnungen ab.

Weiterhin viele Behinderungen im Bahnverkehr

Der Bahnverkehr in Bayern ist nach den Unwettern in der Nacht auch am Samstag noch auf vielen Strecken beeinträchtigt. "In den Gleisbereich gestürzte Äste und Bäume führen zu Beeinträchtigungen im Bahnverkehr in Nieder- und Oberbayern", hieß es am Morgen auf der Homepage der Deutschen Bahn.

Mit Hochdruck werde daran gearbeitet, die Strecken wieder frei zu bekommen. "Jedoch ist im Laufe des Tages im S-, Nah- und Fernverkehr mit Einschränkungen zu rechnen."

Gesperrt seien unter anderem die Streckenabschnitte von Neufahrn nach Freising, von Markt Schwaben nach Erding, von Passau nach Pfarrkirchen und Osterhofen, von Rosenheim nach Mühldorf, Salzburg und Kufstein, von Traunstein nach Ruhpolding sowie jeweils von Garmisch-Partenkirchen nach Mittenwald und Reutte in Tirol.


Hinweis:

In einer früheren Fassung dieses Artikels hieß es fälschlicherweise, dass der Sturm auf dem Chiemsee-Summer-Festival einzelne Gondeln eines Riesenrads abgerissen hätte. Dies hatte die Nachrichtenagentur dpa zunächst berichtet. Tatsächlich wurden die Gondeln laut Polizei jedoch vorsorglich abmontiert. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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