Im Spott-Zentrum

Der etwas andere Blick auf die Szene: Folge 13 als Altstadt-Besuch im Nürnberger Burgtheater.
von  Abendzeitung
Übersichtliche Anlaufstation für eine unübersichtliche Kabarett-Szene: Organisatorin Ulrike Mendlik im Nürnberger Burgtheater.
Übersichtliche Anlaufstation für eine unübersichtliche Kabarett-Szene: Organisatorin Ulrike Mendlik im Nürnberger Burgtheater. © Berny Meyer

NÜRNBERG - Der etwas andere Blick auf die Szene: Folge 13 als Altstadt-Besuch im Nürnberger Burgtheater.

"Noch“ ist das Wort, dass am Telefon des Nürnberger Burgtheaters am meisten benutzt wird. In Sätzen wie „Ja, es gibt noch Karten“. Und andersherum fragen die Anrufer Ulrike Mendlik, ob es denn noch Karten gibt.

Ganz schön beliebt, dieses Burgtheater. Das aber gar kein „Theater“ spielt. Das Burgtheater ist statt dessen eine Kabarettbühne, schön auf dem Burgberg gelegen, mit einem Zuschauerraum, der so groß ist, wie ein etwas nobleres Wohnzimmer, mit einem Backstage-Raum, der die Größe einer durchschnittlichen Toilette hat.

Das Burgtheater ist also klein und heimelig – und tatsächlich auch das Wohnzimmer vieler Kabarett-Größen. Hier wurden sie nämlich oft erst groß: von Urban Priol über Georg Schramm bis Frank-Markus Barwasser und Rainald Grebe. Bleibt die Frage, wie schaffen die das denn alles? Deutscher Kabarett-Preis, Hochkaräter, spannende Neuentdeckungen undundund. Und das mit einem Winz-Theater in Nürnberg.

Also zurück mit Ulrike Mendlik, seit 1996 die Organisatorin, in die 70er: 1979 gründete sich zunächst der „Verein zur Förderung der Kunst und Kultur in Nürnberg“. 1982 zog man in das erste Theater in der Weißgerbergasse, ein Jahr später aus Platzmangel in die Füll 13 um. 1984 feierte man Wiedereröffnung. Seitdem steigen die Zuschauerzahlen: Letze Saison konnte man 16400 Besucher zählen.

Ursprünglich drehte sich im Burgtheater noch nicht alles ums Kabarett, es gab auch Musik und Tanz – die dann aber mehr und mehr verschwanden. Was auch einleuchtet. Wir erinnern uns: Kabarett war für den Otto Fernsehdeutschen in den 80ern zunächst der Scheibenwischer, vielleicht noch die „Lach- und Schieß“ in München. Die Zielgruppe war eher überschaubar und klar definiert: Der gut situierte Bildungsbürger.

Heute sieht das freilich anders aus: Seit rund sechs Jahren gibt es einen noch nie dagewesenen Kabarett-Boom, die Grenzen zwischen Kabarett (Bildung war entscheidend zum Verständnis) und Comedy (hier war Bildung oft eher hinderlich) schrumpften. Kabarett/Comedy wurde zur begehrten Kunstform, man lacht über Zoten wie über den politischen Witz, am liebsten über den zotigen politischen Witz. Das Publikum hat sich deutlich verjüngt, die Zeit des Bildungsbürgers ist vorbei.

Ulrike Mendlik sagt zu der Kabarett-Comedy-Hochzeit Sachen wie: „Auch ein Mario Barth hat seine Berechtigung.“ Hmmm, denkt man sich. Das klingt schon ganz schön beliebig. Was ist wichtig? „Dass das Kabarett tagesaktuell ist“, erklärt Ulrike Mendlik. Die Leute wollen im Jahr 2009 über das lachen, worüber sie sich sonst nur wundern, sagt Mendlik. Sie nennt das Burgtheater-Programm „Unterhaltung mit Haltung.“

Und wer entscheidet denn dann, wer im Burgtheater unterhalten darf? „Das macht unsere sechsköpfige Programm-Gruppe“, erklärt Mendlik. Die sieht sich Live-DVDs an und wählt dann aus – ein „bewährtes Instrument“. Nur ein bis zwei Flops kämen so pro Saison zustande, der Rest wäre fast immer ausverkauft.

Bleibt die Frage, wie es ein kleines Theater bei wachsender Konkurrenz immer noch schafft, Große anzulocken? Denn das Geld lockt auch die hehren Künstler: Tausend zahlende Besucher bescheren mehr Einnahmen als nur 99.

Die Antwort ist binsenweise: Qualität setzt sich durch, Vertrauen und nicht der kurzfristige Profit. Das Burgtheater hat an Künstlern festgehalten, auch wenn sie noch nicht so gut beim Publikum ankamen. So blieb die Adresse in der Füll 13 den meisten Satirikern im Kopf.

Freilich macht man der 100-Mitglieder-Verein mit Kabarett keinen großen Reibach: „Wir sind froh, wenn wir am ende der Saison Null auf Null rauskommen und nicht draufzahlen“, betont Mendlik. Dann klingelt wieder das Telefon, und sie sagt ihr Lieblingswort: „Noch“. Martin Mai

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