Im Spiegelbild einer Ära

Bei der Abschieds-Gala von Intendant Wulf Konold traten sechs Dirigenten an, aber es fehlten wichtigere „Weggefährten“. Kulturreferentin Julia Lehner riet zu Nürnberger Zwangsvorstellungen
von  Abendzeitung

NÜRNBERG - Bei der Abschieds-Gala von Intendant Wulf Konold traten sechs Dirigenten an, aber es fehlten wichtigere „Weggefährten“. Kulturreferentin Julia Lehner riet zu Nürnberger Zwangsvorstellungen

Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle: Wenn man dieser Abschieds-Gala, die als „ein musikalischer Rückblick auf die Intendanz von Prof. Dr. Wulf Konold“ annonciert war, nachträglich den Titel von Botho Strauß ins Knopfloch mogelt, bekommt sie doch noch ihren eigenen Charme. Was der Prinzipal, der Hilfestellung leistete beim Bauchaufschwung der Städtischen Bühnen in den schmeichelhaften Rang von Bayerns einzigem Staatstheater außerhalb von München, auch an diesem gar nicht so leisen Servus-Abend an Kompromissfähigkeit zeigte, ergibt ein korrektes Bild seiner Amtszeit vor Ort. Ja, so war’s!

Sonntagskonzert mit eingeworfenen Bilanzierungskapiteln

Bilanz mit „Weggefährten“ war angekündigt, eine Collage der Nürnberger Theater-Epoche, die zwischen dem Absturz der Kloke-Avantgarde und der Öffnung von Theilers vorerst noch klemmendem Schatzkästlein die Basis für stabiles Opern-Bewusstsein in der Öffentlichkeit baute.

Allerdings scheint zwischen Planung und Ausführung dieser Schluss-Fanfare wieder viel Gedankengut in den Schredder geraten zu sein. Wie sonst hätte der Rückblick ohne den dominierenden GMD Auguin (sieben der zwölf Jahre dabei; aktueller Wohnsitz: Nürnberg) und wenigstens einige der wichtigsten Sänger (Gerhard Siegel, Andrea Baker, Marina Prudenskaja, Nikolai Schukoff) über die Bühne gehen können. Eine Kosten-Frage vielleicht, oder ein Kommunikationsproblem. Wie ein Intendant, der selber inszenierte, auf die Idee kommen kann, bilderlose Arien für Theater sprechen zu lassen, ist unfassbar. Ein paar Szenen-Projektionen zur Erinnerung-Auffrischung hätten es ja getan – nun saß man im Trockenen, also im Sonntagskonzert mit eingeworfenen Bilanzierungskapiteln.

Strahlende Blicke, Blumen, Beifall und manche Seufzer

Kulturreferentin Julia Lehner hatte sich für ihre Laudatio den schwer zu überbietenden Ghostwriter Karl Valentin gemietet und dessen Plädoyer für „Zwangsvorstellungen“ zur Sicherung des Theaterbesuchs auf Nürnberg übertragen – ehe sie dem Prinzipal bescheinigte, er habe sich „um Nürnberg verdient gemacht“. Wie sie dabei das Schauspiel „die erfolgreichste Sparte“ nannte, wird dem Opernmann nicht uneingeschränkt gefallen haben. Er brachte dann „den Glücksgriff Auguin“ ins Gespräch; in Abwesenheit.

Was das (übrigens operettenfreie) Pröbchen-Konzert betrifft, sind keine Einsichten zu melden. Sang Lee wurde zurecht besonders gefeiert (mit „Bajazzo“-Prolog und als Tenor-Partner von „Don Carlos“), Anne Lünenbürger kollektiv ans Herz gedrückt (als Gounods Gretchen) und im Spalier der sechs Dirigenten fielen die Rückkehrer Fabrizio Ventura und Wolfgang Gayler (er war für Wagner zuständig) auf. Christof Prick dirigierte schön pointiert Brittens „Peter Grimes“, arg flauschig den Mozart-„Figaro“ und nur schadensbegrenzend die „Alles Spaß“-Fuge aus „Falstaff“. Beim Verdi-Werk haben Kloke und Konold gemeinsame Vergangenheit – beide wollten es bringen, beide haben es aber nie hingekriegt.

Strahlende Blicke, Blumen, Beifall und manche Seufzer im Opernhaus. Dieter Stoll

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