Im Osten geht die Wonne auf

Schöner sterben ohne Malerei: Das Neue Museum zeigt 90 Werke aus der Sammlung René Block.
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Schwindlige Aussichten im Neuen Museum: Hier ist noch bis zum 25. Januar die Sammlung René Block zu Gast.
Berny Meyer Schwindlige Aussichten im Neuen Museum: Hier ist noch bis zum 25. Januar die Sammlung René Block zu Gast.

NÜRNBERG - Schöner sterben ohne Malerei: Das Neue Museum zeigt 90 Werke aus der Sammlung René Block.

Die Polizei hat den Tatort am Eingang der Ausstellungshalle notdürftig abgesperrt, mit Flatterbändern und Eisenstangen. Die Umrisse des Opfers liegen am Boden, rechteckig und inhaltsleer: „Who killed the painting?“ fragt Driton Hajredini aus dem Kosovo mit frecher Naivität, der René Block vor einigen Jahren bereitwillig auf den Leim ging. Da suchte der Berliner Sammler, der späteren Maler-Stars wie Sigmar Polke und Gerhard Richter als 22jähriger Galerist den Weg ebnete und dann mit Fluxus und Beuys auf Installationen, Objektkunst und Fotografie umschwenkte, schon länger sein Glück „in den Schluchten des Balkan“ und im wilden Osten. 15 Jahre nachdem in der Kunsthalle René Blocks Sammlung zu sehen war, macht das Neue Museum, das inzwischen 230 Dauerleihgaben von ihm besitzt, das ganze Haus zur Plattform. „So viel Ausstellung war noch nie“, freut sich Kurator Thomas Heyden über den höchst vergnüglichen Coup mit 90 Werken von 42 Künstlern. Eine Ausstellung wie aus einem Block.

Überm Geländer der Wendeltreppe wuchert eine Telefon-Lawine von Olaf Metzel (genau, dem Stuhlturm-Stapler) als Lauschangriff-Müll. Hinter der mächtigen „Tapeten-Tür“ baumelt Küchengerät von der Decke und leitet Strom in eine Glühbirne (die Libanesin Mona Hatoum kennt sich mit unerwünschten Stromschlägen aus). Im Schaufenster ist der wache Fluxus-Geist nochmals konzentriert. Da fragt Ben Vautier der Musealisierung einer Idee hinterher: „Wenn Leben Kunst ist, warum hängt man es auf?“

Auf allen Ebenen begegnet man hier einem Sammler mit gutem Riecher und Gespür und einem Faible für Kartoffeln: In einem Raum in der Schausammlung finden sich deshalb Sigmar Polkes „Kartoffelhaus“ (als Sinnbild für ein kreatives Gewächs, das auch im Keller frische Triebe ansetzt), Joseph Beuys’ „Staubbild mit Kartoffelkraut“ (als Relikt einer Diskussion um Selbstversorgung), und Braco Dimitrijevic aus Sarajevo erklärt das globale Ungleichgewicht von Kunst und Kartoffeln.

„Radikalität in der Haltung war immer wichtig“

Also rin in die Kartoffeln. Oben im Ausstellungssaal, wo die geglückte Ausstellung „Who killed the painting?“ den Horizont erweitert in eine Welt, die völlig verpuzzelt ist (Nina Jansen), wo vom militanten Nationalrausch nur erdige Flaggen-Lumpen bleiben (so die prägnant-plakative Installation „Territories“ des Bulgaren Pravdoliub) und zwischen Koran und Bibel auf einer acht Meter langen Brücke Hunderte von Tieren dem Leben und Lebenlassen mit gutem Beispiel vorangehen (Maaria Wirkkala aus Finnland).

Das Gesellschaftspolitische und Soziologische weckt weiter die Neugier von René Block. Wie die Aussicht auf subversive, nicht abgenutzte Gedanken. „Radikalität in der Haltung war immer wichtig“, sagt er. Widerstandskraft auch. Die sieht er besonders bei den Frauen in (Süd-)Osteuropa, die sich durchsetzen mussten. Sanja Ivekjovic aus Zagreb mit ihrer Foto-Serie, wo sie plakativen Model-Glamour gegen ermordete Widerstandskämpferinnen (als Fußnote des Wohlstands) setzt ebenso wie die Türkin Ayse Erkmen, die Nachbauten von Landminen als bunte Gummiwesen über den Videoschirm springen lässt. Der Reiz des Unbekannten lauert überall. Auch der Spott über den Tanz der Kunst-Lemminge. In einem weißen Riesen-Kubus, der an die Empore angedockt ist, irren die Kurden Semer Özmen und Erkan Özgen als Don Quichotte und Sancho Pansa windmühlenkämpfend durch eine Steinwüste, auf der Suche nach dem gelobten Galerie-Land. Das Video heißt „Road to Tate Modern“. Andreas Radlmaier

Neues Museum (Klarissenplatz): bis 25. Januar , Di-Fr 10-10 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr. Begleitbuch: 20 Euro.

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