Im Eis gefangen: So meistern Kapitäne den Zwangs-Urlaub

Ölwechsel, streichen, einkaufen: Binnenschiffer Wolfgang Mayer und Crew sitzen auf der „Main“ im Nürnberger Hafen fest.
von  Abendzeitung

Ölwechsel, streichen, einkaufen: Binnenschiffer Wolfgang Mayer und Crew sitzen auf der „Main“ im Nürnberger Hafen fest.

NÜRNBERG Der Fernseher läuft den ganzen Tag, und ein bisschen langweilig ist Wolfgang Mayer (43) schon. Der Miltenberger Binnenschiffer sitzt mit Steuermann und Matrosen auf seiner 105 Meter langen „Main“ zwangsweise im Eis des Nürnberger Hafens fest. Sieben Kapitäne warten hier, dass die bis zu 50 Zentimeter dicke Schicht nicht mehr wächst und es endlich wieder wärmer wird. Und natürlich auch Hafen-Geschäftsführer Harald Leupold. Ihn kostet jeder Tag, an dem nix geht, 15000 Euro.

Der „Main“-Steuermann Michael Ludewig (52) lümmelt vor der Technik im Führerhaus und liest in der Natur-Zeitschrift „Welt der Wunder“. Die Aussicht hat sich seit Tagen kaum geändert: Eis – so weit das Auge reicht. Wo pro Jahr 13 Millionen Tonnen Fracht umgeschlagen werden, herrscht gespenstische Ruhe. Am Sonntag hatte das Nürnberger Wasserwirtschaftsamt die Schifffahrt komplett eingestellt.

Seitdem ist Wolfgang Mayer mit seiner Crew zum Stillstand verdammt. „Wir machen nötige Wartungsarbeiten und wechseln das Öl. Und der Innenraum wird gestrichen“, erklärt der Familienvater, der seit 28 Jahren Binnenschiffer ist und die Leidenschaft samt Schiff von seinem Vater geerbt hat.

Letztes Jahr gönnte er sich für 1,8 Millionen Euro ein längeres Modell. Die „Main“ ist Baujahr 1956, hat 1700 Pferdestärken und verbraucht voll beladen 320 Liter Diesel pro Stunde. „Das klingt viel, ist aber ein Drittel weniger als Lkw, die die gleiche Menge transportieren“, sagt Mayer, der auf Flüssen und Kanälen von Rotterdam bis Linz unterwegs ist.

Gestern wurde die „Main“ schon wieder beladen: 1500 Tonnen Naturdünger pumpten Arbeiter in den Bauch. „Wenn die drauf sind, sind wir schwerer, dann sind auch die Schrauben weiter im Wasser, und wir haben mehr Masse zum Manövrieren“, sagt der Experte. Nur so habe er eine Chance, das immer dichter werdende Eis von seinem Gefährt fernzuhalten: „Wir sind verpflichtet, das Schiff eisfrei zu halten.“

Mal kurz zum Einkaufen in die Stadt (gleich zwei Autos hat Mayer im Gepäck), kochen für die Crew, Technik auf Vordermann bringen – wenn er wirklich nichts mehr tun kann, dann setzt sich der Unterfranke in seine Schiffs-Wohnung: 60 Quadratmeter mit Miele-Küche samt Spülmaschine, Abstellkammer, Wohnzimmer, Büro und Schlafzimmer. Die Crew hat jeweils eigene Appartements an Bord. Einen offenen Kamin und Whirlpool wie die holländischen Kollegen will Mayer gar nicht haben: „Ich fühle mich hier eh schon mehr zuhause als in unserer Wohnung in Miltenberg.“ Erst recht, wenn am Wochenende Ehefrau und Sohn zu Besuch kommen.

Andrea Uhrig

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