Illegale Tötungen: Bayerns Wildtiere leben gefährlich

München - Die Zahlen sind schockierend: Mindestens 85 streng geschützte Greifvögel und Eulen, drei Fischotter und fünf Luchse wurden im Freistaat seit 2010 illegal getötet.
Vermutlich mussten sogar noch mehr Vögel und Große Beutegreifer sterben. "Für 2015 und 2016 stehen noch Untersuchungsergebnisse aus, so dass die Zahl der verendeten Greifvögel wahrscheinlich höher ist", heißt es aktuell in der Antwort des bayerischen Umweltministeriums auf eine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian von Brunn.
"Illegale Verfolgung durch den Menschen"
Hinzu kommen 14 Luchse, die in den vergangenen sechs Jahren im Bayerischen Wald gesichtet wurden – und plötzlich spurlos verschwanden. Tiere, die zwischen drei und fünf Jahre alt waren und sich in dem Gebiet nicht länger als 30 Monate halten konnten, was angesichts der natürlichen Lebenserwartung eines Luchses von bis zu 15 Jahren äußerst ungewöhnlich ist.
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Die Experten kommen zu dem Schluss, dass auch in diesen Fällen "eine illegale Verfolgung durch den Menschen nicht ausgeschlossen" werden kann.
Viele der geschützten Tiere kamen auf extrem grausame Weise ums Leben. Einige besonders drastische Beispiele:
- Im Jahr 2010 werden im Kreis Neustadt an der Saale 15 Mäusebussarde gefunden, die an einer Vergiftung mit dem verbotenen Insektizid Carbofuran verendet sind.
- 2011 stirbt ein Seeadler bei Neustadt/Aisch durch Schüsse.
- 2013 wird im Kreis Regen ein trächtiges Luchs-Weibchen durch Schrotkugeln getötet. Im selben Jahr feuert ein Unbekannter bei Aschaffenburg auf ein Uhu-Baby im Nest.
- 2014 steckt ein Tierquäler zwei Fischotter in einen Sack und versenkt sie im Fluss Regen (Landkreis Cham).
- 2015 entdecken Naturschützer im Bayerischen Wald in der Nähe einer „Fotofalle“ die vier abgetrennten Vorderläufe eines Luchs-Paares.
- Ebenfalls 2015 erdrosselt ein Unbekannter bei Freyung eine Luchsin und legt den Kadaver am Straßenrand ab.
- Ein Greifvogel, dessen Art nicht näher bestimmt wurde, verendet im selben Jahr bei Forchheim in einer Falle – bei Cham erleidet ein Fischotter dasselbe traurige Ende.
Wer sind die Täter? Florian von Brunn: "Bei den Luchsen gehe ich von Leuten mit Jagd-Hintergrund aus. Um einen Luchs zu töten, braucht man spezielle Kenntnisse und eine Waffe." Die Großkatzen sorgten dafür, dass die Rehe scheu würden, sich ins Unterholz zurückzögen und so schwerer bejagt werden könnten. Ein Umstand, der vermutlich einige Jäger und Jagdpächter stört.
Tiere werden Opfer "wirtschaftlicher Konflikte"
Die getöteten Fischotter und Greifvögel seien wohl ebenfalls Opfer "wirtschaftlicher Konflikte", sagt der SPD-Politiker. "Da kommen zum Beispiel Geflügel-, Tauben- oder Fisch-Züchter in Betracht."
Doch bislang ist keine der genannten Straftaten aufgeklärt worden. Es wurde zwar immer wieder ermittelt, doch nur zwei Mal stieß die Polizei auf Verdächtige: bei dem erschossenen Seeadler und bei dem Greifvogel, der im Kreis Forchheim in einer Falle verendet war. Beide Verfahren wurden wegen Geringfügigkeit eingestellt, weil ein "Tatnachweis nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit geführt werden" konnte.
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"Das ist eine erbärmlich schlechte Bilanz", sagt Florian von Brunn. "Die Staatsregierung hat hier bisher viel zu wenig unternommen." Er appelliert für spezialisierte Fachdezernate für Umweltkriminalität und Artenschutzvergehen bei der Polizei sowie für eine entsprechende Schwerpunktstaatsanwalt. Eine Forderung, die Umweltschützer seit längerem stellen. Zudem tue eine breite Aufklärungskampagne Not, sagt Florian von Brunn. "Es muss jedem Täter bewusst sein, dass illegale Tötungen von geschützten Tierarten keine Kavaliersdelikte, sondern schwerwiegende Verbrechen sind, die konsequent verfolgt werden."
Handlungsbedarf sieht der SPD-Politiker noch in einem anderen Bereich: Im Untersuchungszeitraum wurden sieben Luchse und 98 Fischotter Opfer von Verkehrsunfällen. Die Staatsregierung sei verpflichtet, diese unbeabsichtigten Tötungen ebenfalls zu reduzieren, sagt er. "Es besteht die Gefahr, dass der Luchs in Bayern ein zweites Mal ausstirbt und das darf in keinem Fall passieren."