„Ich würde mein Geld auf Holyfield setzen“

Der bayreuther Ringarzt Walter Wagner prüfte den 46-jährigen Box-Opa vor seinem Kampf gegen Walujew
von  Abendzeitung

Der bayreuther Ringarzt Walter Wagner prüfte den 46-jährigen Box-Opa vor seinem Kampf gegen Walujew

BAYREUTH Vor seinem Urteil zittern sogar die Weltmeister: Walter Wagner, Ringarzt und die medizinische Instanz beim Bund Deutscher Berufsboxer (BDB). Auch Evander Holyfield, der am Samstag in Zürich (22.25 Uhr, ARD Live) gegen den russischen Riesen Nikolai Walujew um den WBA-Titel im Schwergewicht kämpft, musste zuvor bei Wagner zum Box-TÜV antreten. Die AZ sprach mit dem Bayreuther Chirurgen über Holyfields Chancen und warum er Wladimir Klitschko einen Psychiater empfiehlt.

Herr Wagner, Sie sind Mediziner, also dem Wohl ihrer Patienten verpflichtet. Ist es sinnvoll, dass ein 46-jähriger Box-Opa wie Holyfield nochmal in den Ring steigt?

Auch ich war am Anfang skeptisch. Aber andererseits, warum denn nicht? Nehmen Sie George Foreman. Der hat sich mit 45 den Weltmeistertitel von Michael Moorer geholt. Es gibt ja auch Leute die durch den Ärmelkanal schwimmen und da würde wahrscheinlich auch niemand sagen, dass das die ideale Reiseroute nach England ist. Bei Schwergewichtlern, die ja hauptsächlich über ihre Kraft kommen ist so ein Comeback möglich. Bei den unteren Gewichtsklassen eher weniger.

Sie haben Holyfield in Bayreuth getestet, wie fit ist er wirklich?

Wir haben bei ihm ein Programm gemacht, das weit über das Normale hinausgeht. Er wurde von zehn Fachärzten genau untersucht.

"Holyfield ist der bessere Boxer"

Mit welchem Ergebnis?

Evander hat die körperliche Konstitution eines 35-Jährigen. Seine Reflexe, seine Reaktionszeiten sind in Ordnung. Und das ist ja das Wichtigste. Erst wenn die Reflexe nicht mehr da sind, wird es richtig gefährlich für einen Boxer.

Also ist Holyfield kein Kanonenfutter, nicht nur ein Ring-Rentner, der nur nocheinmal richtig abkassieren will?

Nein. Ich finde es sogar eher gefährlich von Walujew dass er seinen Titel freiwillig gegen Holyfield verteidigen will. Denn Holyfield ist einer der wirklich boxen kann, einige Klassen besser als Walujew.

Der zwar nicht gerade als feiner Techniker gilt, aber dafür mit seinen 2,13 Meter über eine große Reichweite verfügt – und elf Jahre jünger ist.

Trotzdem würde ich – wenn ich wetten müsste – mein Geld auf Holyfield setzen. Wenn er über die Runden kommt, wird er nach Punkten gewinnen. Denn er ist einfach der bessere Boxer von beiden – trotz seines Alters.

Sie haben also keine Sorge, dass Sie während des Kampfes eingreifen müssen?

Nein, außerdem entscheidet das ja sowieso der Ringrichter oder die Ecke des Boxers.

Bei WM-Kampf von Arthur Abraham (gerade zum deutschen Boxers des Jahres gekürt) gegen Edison Miranda haben aber Sie damals entschieden, dass er mit einem gebrochenen Kiefer weiterboxen darf.

Der Kiefer war sogar doppelt gebrochen. Aber er wollte weitermachen und ich habe es ihm erlaubt. Er hat dann noch acht Runden durchgehalten und ist Weltmeister gewonnen. Dadurch wurde Abraham zum Helden. Vor allem in den USA. Wir werden ihn deshalb auch nicht mehr so oft in Deutschland sehen. Denn in den USA gibt es einfach die höheren Gagen.

Boxen ist keine Oper

Trotzdem war ihre Entscheidung damals ziemlich umstritten.

Wenn ich zum Boxen gehe, gehe ich nicht in die Oper. Da geht es nicht um Ästhetik. Nur um die Gesundheit. Deshalb habe ich Arthur auch wegen seiner Grippe vor dem WM-Kampf in Bamberg gegen Raul Marquez nicht antreten lassen. Denn eine Grippe ist für einen Boxer wirklich lebensgefährlich. Das kann aufs Herz gehen.

Alles andere als "lebensgefährlich" war der Kampf von Wladimir Klitschko gegen Hashim Rahman. Kategorie: müde Nummer, oder?

Ich war gar nicht da. Erstens weil ich schon wusste, wie der Kampf ausgeht und außerdem ist mein Verhältnis zu den Klitschkos nicht das beste.

Warum?

Weil ich Wladimir nach seinem K.O. gegen Lemon Brewster ein halbes Jahr gesperrt habe. Dabei habe ich ihm schon nach den K.O. gegen Corrie Sanders gesagt, dass er sich einen einen Mentaltrainer suchen soll. Gegen Brewster hat er dann hyperventilierd. Da konnte er gar nichts dagegen tun.

Klitschko zum Psychiater?

Wie bitte, Klitschko soll zum Psychiater, Sie wollen einen dreifachen Titelträger (IBF, IBO, WBO) auf die Couch schicken?

Ja. Denn so ein Niederschlag bleibt im Kopf eines Boxers stecken. Aber er hat es natürlich nicht gemacht. Und jetzt boxt er eben nur noch Gegner die nicht hauen können. Allerdings ist ein Psychiater nicht für jeden Boxer was. Eher so für Typen wie Klitschko oder Henry Maske. Die denken nach. Graciano Rocchigiani zum Beispiel braucht sicher keinen Psychiater.

Wenn man Ihnen glauben will Holyfield auch nicht. Für Sie wird es dann wohl eher ein ruhiger Abend in Zürich?

Abwarten. Boxen ist ein riskanter Sport. Wir Ringärzte können das Risiko immer nur minimieren.

Am Ring nur C&A-Anzüge

Also wird’s doch wieder blutig?

Abwarten. Aber aus der Sache mit Arthurs Kieferbruch (Abraham hatte damals 0,5 Liter Blut verloren, d. Red.) habe ich jedenfalls gelernt. Seitdem trage ich bei den Kämpfen nur noch C&A-Anzüge.

Interview: K. Kaufmann

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