„Ich wollte schon rausspringen“

LENGGRIES - Nach einem Not-Stopp der Bahn befreien rund 100 Rettungskräfte 43 Menschen aus den Kabinen. Alle kommen mit dem Schrecken davon. Die Ursache für die Störung ist noch unklar
Peter Gutmann hatte sich den Tag eigentlich anders vorgestellt: Der Wolfratshauser wollten einen entspannten Skitag am Brauneck erleben – statt dessen saß er wie 42 andere Skifahrer am Vormittag in der Gondel fest – erst ein Hubschrauber rettete ihn aus der Kabine. „Es war ein bedrückendes Gefühl, eingesperrt zu sein“, sagt er hinterher zur AZ.
Um 9.25 Uhr fuhr der 40-Jährige rauf. „Plötzlich blieb die Gondel stehen. Am Anfang habe ich mir nichts dabei gedacht, aber irgendwann macht man sich dann schon Sorgen.“ Über Lautsprecher wurden die Passagieren informiert, dass nichts mehr geht. „Ich habe mit dem Handy meine Freundin angerufen“, erzählt Gutmann. Dann hieß es auf Hilfe warten. „Ich habe sogar überlegt, ob ich rausspringen soll“, sagt Gutmann. Als Extremskifahrer ist er riskante Manöver gewöhnt. „Aber das war zu hoch“.
In 25 Vierer-Kabinen saßen die Wintersportler fest - in bis zu 70 Metern Höhe. Die Seilbahn auf das 1556 Meter hohe Brauneck ist zweieinhalb Kilometer lang und überwindet auf ihrer zwölfminütigen Fahrt 800 Höhenmeter.
Für 43 davon dauerte die Fahrt diesmal allerdings über zwei Stunden. Je nachdem, wie hoch die Gondel hing, mussten die Passagiere über Drehleitern der Feuerwehr oder per Hubschrauber befreit werden. „Dem ein oder anderen sitzt der Schreck noch in den Gliedern“, sagt Polizeisprecher Franz Sommerauer. Der jüngste der Geretteten ist erst zehn Jahre alt, der älteste 66. Panik sei aber nicht ausgebrochen. „Ich habe drei Leute rausgeholt“, sagt Bergwachtler Herbert Streibel. „Sie waren ganz gelassen.“ Insgesamt waren rund 100 Retter im Einsatz.
Eine wirkliche Gefahr habe, wie die Polizei bekräftigt, für die Menschen nicht bestanden. Die Bahn stand, aber es gab kein Risiko, dass Kabinen abstürzen könnten. Trotzdem sind die Geretteten erleichtert. „Wir haben Glück gehabt, es war nicht zu kalt“, sagt Brigitte Meißner. Die 48-Jährige saß fast drei Stunden in 25 Metern Höhe fest. Ihr Mann ist selbst bei der Bergwacht, deswegen hatte sie keine große Angst.
Auch Anton Singer blieb ruhig. Als der Bergwachtler einen Anruf von Kollegen bekommt, muss er passen – er sitzt selbst in der Gondel fest. „Ich wusste, die Kollegen kommen und machen das“, sagt er. Schließlich werden solche Bergungen regelmäßig geübt (siehe unten). Als Singer über eine Drehleiter geborgen ist, ist er gleich heimgefahren, hat sich in seine Bergwacht-Ausrüstung geschmissen und hat dann mitgeholfen, andere zu befreien.
Bis zum Mittag hatten alle wieder festen Boden unter den Füßen. Heinrich Schuster, Pressesprecher der Regierung Oberbayern: „Die Rettung hätte nicht besser laufen können.“
Die Frage bleibt allerdings: Was ist passiert? Regelmäßig muss die Bahn gewartet werden (siehe unten). „Sie wurde 2000 renoviert, sie ist auf dem neuesten Stand, aber so etwas kann immer passieren“, sagt Chef Peter Lorenz. Ein technischer Schaden hat einen Nothalt ausgelöst - womöglich weil eine Gondel defekt war oder das Rollengerüst, das die Gondeln an Pfosten passieren. Gutachter untersuchen jetzt die genaue Ursache. Schuster: „Wir rechnen damit, dass die Bahn erst zum Wochenende den Betrieb wieder aufnehmen kann.“ kasa, ta