„Ich werde eher unlocker“

Funny van Dannen, der demnächst in Erlangen auftritt, über seine neue CD „Saharasand“, Sozialismus, Instinkte und Realitätssinn.
Er zielt weiterhin mit feinem Spott durch die Brust ins Hirn, der listige (und auch lustige) Liedermacher Funny van Dannen. Im Titelsong seines neuen Albums „Saharasand“ philosophiert er etwa: „Was ist gefährlicher: Rassistische Polizisten oder Saharasand?“ Und erklärt das im Gespräch so: „Ich halte das gesellschaftliche Klima mindestens für genauso wichtig wie Wetter und Klimawandel.“ Seine Karriere und seine hintersinnigen Schelmenstreiche, die er auch für Die Toten Hosen liefert (etwa die Anti-FC-Bayern-Hymne), scheinen krisenfest. Die ersten Konzerte der laufenden Tour waren ausverkauft. „Dass ich nach 15 Jahren immer noch vor so vielen Leuten spielen kann, ist schon eine tolle Sache“, sagt der „widerwillige Prominente“.
AZ: Funny van Dannen, ein neuer Song heißt „Sozialismus". Haben Sie angesichts des Wahlausgangs heute mal wieder unkontrolliert „Sozialismus" gerufen?
FUNNY VAN DANNEN: Das hat sich gelegt (lacht.)
Ist der Song nach der Wahl wichtiger geworden oder überflüssiger?
Weder noch. Es geht in dem Lied ja um eine Macke, die einer hat, und mal wieder ein Wort in die Runde zu werfen, was so verpönt ist. Verdient hat es das nicht. Weil dem Sozialismus durchaus eine gute Idee zugrunde liegt, mehr den Gemeinsinn im Blick zu haben als den Profit einzelner.
Da müsste das Lied ja aber aktueller geworden sein.
Joo, aber ich finde die ganze Entwicklung eigentlich gar nicht so schlecht. Vordergründig ist das Wahlergebnis natürlich ein Desaster. Aber wir haben mittlerweile eine Bundeskanzlerin, die bestätigt wurde wie ein Mann, unabhängig ob sie gute oder schlechte Politik gemacht hat. In puncto Gleichberechtigung sind wir also einen Schritt weiter. Und wir haben demnächst einen homosexuellen Außenminister. Das ist auch für diese Minderheit eine schöne Anerkennung. Es ist natürlich immer mit Ironie verbunden, wenn solche Fortschritte über den konservativen Umweg genommen werden müssen, aber immerhin.
Fest steht, dass man auf den Sänger mal wieder nicht gehört hat am Wahlsonntag.
Daran bin ich ja gewöhnt! (Lacht.)
Geht es da vielleicht dem Volk wie dem Sänger, der in einem Lied um funktionierende Instinkte flehen muss?
Kann sein. Ich hoffe, dass ich meine noch beieinander habe. Aber bei den Volksinstinkten bin ich da öfter enttäuscht worden.
Müsste man dann mit der von Ihnen erfundenen „Katzenpissepistole“ nicht nur die Hedgefonds-Herren und Heuchler belästigen, sondern auch das Wähler-Volk?
Finde ich schon. Was sich auf der Polit-Bühne tummelt, spiegelt ja nur die Verhältnisse im Volk wider. Die Gier nach Pöstchen, das uneigentliche Gewese, wo es nicht darum geht, Probleme zu lösen, sondern zu verwalten. Das kennt man auch von kleinen Leuten. Und das ist auch unter Künstlern so, denen es nicht um die Kunst geht, sondern um gesellschaftliche Repräsentation.
Wir sind verwahrlost?!
Sehe ich schon so: Wir sind moralisch verwahrlost. Ich sehe das in Verbindung mit der geistig-moralischen Wende von Helmut Kohl. Da ging auch der politische Anstand den Bach runter. Wo auch nicht mehr Verantwortung übernommen wurde für Missverhalten, sondern mit dem Wort „Blackout“ pseudomedizinisch weggefegt wurde: Hatte kurz kein Blut im Kopp – kann passieren!
Im Lied „Katzenpissepistole“ geht es auch um Rache. Die von Ihnen beschriebenen Rachegedanken sind auch hier milde, schelmische Phantasien. Steht Ihnen beim Wunsch nach Radikalität die eigene Harmonie im Wege?
Auch, aber eher der Realitätssinn. Das „Katzenpissepistole“-Lied ist natürlich Ausdruck von Hilflosigkeit. Dass man sich in Albernheit flüchtet, wenn nichts zu retten ist. Ich glaube ohnehin, dass Ironie die Sprache des Verlierers ist. Ein Mächtiger, der seine Ideen durchsetzt, braucht nicht zu spotten. Was nutzt einem auch alle Radikalität, wenn vorauszusehen ist, dass sie nicht zum Besseren führt.
Können Sie richtig wütend werden?
Klar, sicher, manchmal. Aber ich bin schon ein auf Harmonie bedachter Mensch. Und ich bin von der Macht des guten Willens überzeugt. Jesus dachte schon so, die Hippies auch, und das hat sich bis zum Positive Thinking erhalten.
Kann man heutzutage eigentlich locker bleiben?
Ich werde eher unlocker, weil ich keine Verbesserungen sehe. Nehmen wir ganz konkret Bildung und Integration. Dafür sind wir schon vor 20 Jahren auf die Straße gegangen. Das ist ja alles noch viel schlimmer geworden. Wenn es um Kinder geht, ist auch Lockerheit nicht mehr am Platze. Das Bewusstsein für die Dringlichkeit vermisse ich.
Ihre politische Haltung servieren Sie aber auf Umwegen.
Ich bin ja nun auch kein Prediger. Sondern in erster Linie Unterhaltungskünstler. Ich möchte, dass die Leute einen schönen Abend haben. Meinen Protestsänger-Anteil möchte ich gerne wahren, aber insgesamt ist das nur eine Facette.
Motto: Wir werden die Welt nicht ändern, wir sind ja doch nur zum Leben da.
Sie zitieren das letzte Lied, nä?! Ich finde aber trotzdem: Jedes Lied, jede gute Regung kann die Welt verändern.
Wann ist man eigentlich zu alt für einen Künstlernamen wie Funny van Dannen?
Das ist die Frage. Ich reiz' das jetzt mal aus.
Interview: Andreas Radlmaier
Funny van Dannen stellt „Saharasand“ (Trikont) am 26. November im Erlanger E-Werk vor.