„Ich spiele viel mit Klischees“

NÜRNBERG - Die italienische Choreographin und Regisseurin Laura Scozzi über Sprechszenen in Opern, künstlerische Déjà-Vus und ihre Nürnberger „Zauberflöte“.
Vor einem guten Jahr sorgte sie mit ihrem Opernregie-Debüt für den Einstand Peter Theilers in Nürnberg. Nach Hector Berlioz’ poppig-verwitzigtem „Benvenuto Cellini“ hat sich die italienische Choreographin in ihrer zweiten Nürnberger Inszenierung Mozarts „Zauberflöte“ vorgenommen. Opernhaus-Premiere ist am 14. November.
AZ: Signora Scozzi, kann die Tanz-Perspektive einen neuen Blick auf Mozart eröffnen?
LAURA SCOZZI: Für choreographische Abläufe bietet „Die Zauberflöte“ keine Inspiration. Ich muss mich mit den psychologischen Besonderheiten auseinander setzen, die jeder Charakter in sich trägt. Für die Körperarbeit ist das nicht so ergiebig.
In „Benvenuto Cellini“ hatten Sie einen sehr bewegten, rhythmischen Zugriff.
Das wird in der Zauberflöte ähnlich — bei den Figuren, die es zulassen.
Ich frage auch deshalb, weil „Die Zauberflöte“ eine der überinterpretiertesten Opern des Repertoires ist.
Ja, aber ich bin Italienerin (lacht). Ich werde mir nicht den Kopf über deutsche Interpretations-Traditionen zerbrechen. Das würde mich zu sehr belasten, da käme ich nicht mehr raus.
„Die Zauberflöte“ gilt neben „Hänsel und Gretel“ als die Familienoper — trotz Vergewaltigungs- und Selbstmordversuchen.
Man muss da nicht so sehr um die Kinder fürchten, die können schon sehr gut unterscheiden und nachvollziehen, dass man nicht mehr leben möchte.
Wie halten Sie es mit den heiklen Sprechszenen bei einem internationalen Ensemble?
Das ist weniger ein Fremdsprachen- als generell ein Sängerproblem. Wenn man singend auf der Bühne steht, ist das ein ganz anderer Rhythmus als in einer Sprechszene. Die Sänger sind auch nicht als Schauspieler ausgebildet.
Wie haben Sie das Problem gelöst?
Gelöst? Es besteht nach wie vor! (lacht) Die Probenzeit ist zu kurz, und da Deutsch nicht meine Muttersprache ist, musste ich die Sätze zuerst auf Französisch betrachten, ihre Betonung strukturieren und dann wieder ins Deutsche übertragen. Selbst wenn ich mit Schauspielern inszeniere, arbeite ich über zwei Monate an den Texten. Dafür ist hier keine Zeit. Zehn Minuten pro Tag sind drin - mehr nicht (schluchzt theatralisch auf).
Also muss man sich auf die Musik konzentrieren.
Nein. Das heißt nicht, dass ich die Dialoge nicht mehr probe. Aber ich kann da einfach nicht so in die Tiefe arbeiten.
Wäre es eine Möglichkeit, mit Verfremdung oder neuen Texten zu arbeiten?
Ich habe versucht eine neue Textfassung zu erstellen, dabei aber die dramaturgische Linie beizubehalten. Die Schwierigkeit ist, dass die gesungene Sprache dann im Vergleich zu den heutigen Dialogtexten ganz anders wäre.
Hat Ihnen der Neufassungs-Versuch tiefere Einsichten ins Werk vermittelt?
Er hat mir sehr geholfen, die Charakterzeichnungen zu finden, zu sehen, dass sich jeder Charakter in einer klaren, eigenen Art artikuliert, besonders bei Tamino und Papageno.
Sind der edle Tamino und der sinnenfreudige Papageno nicht zwei Seiten einer Persönlichkeit?
Am Anfang habe ich darüber nachgedacht. Aber letztlich holt einen das Werk wieder ein. Es gibt ja auch noch die beiden Frauen, Pamina und Papagena. Da wird es schwierig, das stimmig bis zum Ende der Oper zu erzählen.
Ist Sarastro Hüter der Weisheit oder Sektenguru?
Er ist jemand, der einer männlichen Gemeinschaft vorsteht und Nachwuchs rekrutiert...
...und der sagt: Vom Weib geht Verblendung aus. Kann man da die Königin als böse Figur stehen lassen?
Nein, sie ist vor allem verzweifelt, jemand, der aus einer Elite ausgestoßen wurde.
In „Benvenuto Cellini“ gab es eine poppig-bunte Bühnenästhetik voller Zitate. Wird „Die Zauberflöte“ ähnlich?
Ich arbeite viel mit Klischees. Sicher wird es Wiedererkennungseffekte geben. Wenn ich in Operninszenierungen choreographiere, dann fragen mich Leute: Hast du das nicht schon mal in einem anderen Stück gemacht? Sie haben meinen Namen noch nicht gelesen, aber sie erkennen die Art und Weise. Letztlich habe ich den Eindruck, dass man künstlerisch eh immer die selben Dinge macht.
Interview: Georg Kasch