Ich habe wieder so viel Elan
Nürnberg - Der Ars-vivendi-Verleger Norbert Treuheit (52) aus Cadolzburg über 20 Jahre Einsamkeit in der Literaturwüste Franken, seine schwere Krankheit, Krimis und Aufwind
Die Lebertransplantation ist erfolgreich überstanden, die vielen „Regional-Krimis“ sind der Renner (allein Jan Beinßens „Dürers Mätresse“ liegt bei 17000 verkauften Exemplaren): Zum 20. Firmenjubiläum, das der (konkurrenzlose) ars vivendi Verlag am Samstag passenderweise mit einer „MordsNacht“ feiert, herrscht bei Norbert Treuheit Aufbruchstimmung im Cadolzburger Fachwerk-Idyll, das Heimstatt für Frankens Vorzeigeautoren wie Ewald Arenz, Helmut Haberkamm und Elmar Tannert ist.
AZ: Herr Treuheit, mit dem Wissen von heute: Würden Sie noch mal einen Verlag gründen?
NORBERT TREUHEIT: Verleger ist sicher der schönste Beruf, den ich mir vorstellen kann. Aber ich würde sicherlich keinen Verlag mehr gründen.
Warum?
Weil ich damals nicht wusste, was auf mich zukommt, an Arbeit, an Mühsal und Ärger.
Sie würden also auch keine Shakespeare-Gesamtausgabe mehr herausgeben?
Nach dem Wissen eines zweiten Lebens, der ganzen Hölle, die ich durch meine Krankheit und die Lebertransplantation mitgemacht habe, wäre ich blöde, wenn ich es noch mal probieren würde. Ich weiß jetzt, was ich am Leben versäumt habe durch diese 100-Stunden-Arbeitswochen.
Hat es auch damit zu tun, dass Franken weiter als Literaturwüste erscheint?
Jein. Es ist hier sicher durch die vorhandene Struktur nicht gerade einfach etwas aufzubauen. Wenn man sieht, dass kein anderer in den 20 Jahren ernsthaft versucht hat, einen Publikumsverlag aufzubauen, ist das schon ein Zeichen. Man nehme nur das Literaturhaus in Nürnberg, das für mich kein Literaturhaus, sondern ein Lesungshaus ist. Mit wunderbaren Autoren, ja, aber was wurde anderes geschafft?
Warum ist das hier so ein hartes Pflaster?
Ich denke, viele Talente gehen einfach ins Exil. Schade, dass dagegen nicht mehr unternommen wird, dass es keine Stipendien, keine Stadtschreiber gibt. Nach zehn, 15 Jahren habe ich gemerkt, dass ich da auf verlorenem Posten stehe. Ich habe da finanziell schon wahnsinnig viel riskiert.
Ist die Flut der Nürnberg-Krimis so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner? Oder bei den Lesern die Sehnsucht nach fränkischer Literatur?
Sicherlich beides. Wir können damit als Verlag fränkische Literatur realisieren, aber auch wirtschaftlich damit arbeiten. Wenn man die Auflagen sieht, ist das wirklich toll. Andererseits werde ich „normale“ Literatur weiterhin verfolgen. Nur ins Nirwana publiziere ich nicht mehr hinein.
Schokolade mit Sinnsprüchen, Foto-Kalender, Gastroführer – wie viel Abstriche an den eigenen Anspruch mussten Sie denn machen?
Ich musste natürlich Abstriche machen, weil sich diese Form von literarischem Programm nicht trug. Auch die Verlags- und Buchhandelslandschaft hat sich stark verändert. Ich musste deshalb neben dem Buch- und Kalenderprogramm etwas finden, was sich auch in Papeterien verkauft. Da sind wir auf einem guten Weg. Nach dem großen Krisenjahr 2006, wo ich neun Monate ausgefallen bin, haben wir letztes Jahr einen schönen Gewinn hingelegt.
Legen Sie nun literarisch auch wieder einen Zahn zu?
Absolut. 2007 hat einfach alles gepasst. Und als dann auch noch „Der Duft von Schokolade“ von Ewald Arenz in der Weihnachtsausgabe der Brigitte hymnisch besprochen wurde und die Taschenbuchverlage um die Lizensen buhlten, war das die Krone. Das war ein Signal. Wir bekommen mehr und mehr Manuskripte aus ganz Deutschland. Dieser Aufwind macht wirklich richtig, richtig Spaß!.
Sie haben also die Hoffnung auf weitere Großtalente nicht aufgegeben?
Nee, im Gegenteil! Ich habe jetzt auch wieder so viel Elan und Schwung, dass ich mir noch andere Projekte vorstellen kann. Da habe ich viel vor.
Die fünf schönsten Erlebnisse in diesen 20 Jahren?
Sicherlich, dass ich nach der Transplantation gerade meinen zweiten Geburtstag feiern durfte. Dann der Durchbruch für Ewald Arenz. Die Entdeckung von Helmut Haberkamm, wo ich selber eines Besseren belehrt wurde, dass Mundart nicht zwingend Mist ist. Für mich selber die Idee zu den Postcard Stories. Und natürlich William Shakespeare.
Interview: Andreas Radlmaier
- Themen: