"Ich fühle mich nicht als Mörder" -Abschiedsbrief aus Landshut
LANDSHUT - Franz N. hat im Amtsgericht Landshut seine Schwägerin erschossen und zwei weitere Prozessbeteiligte verletzt. Dann richtete er sich selbst. Das war geplant: Zuvor hatte er einen Abschiedsbrief geschrieben.
Dienstagmorgen, 10. 15 Uhr: Franz N. im Zuschauerraum des Amtsgerichts Landshut. Im Saal 8 im ersten Stock des Klinkerbaus geht es um einen Erbschaftsstreit mit Geschwistern seiner Frau Mathilde S. Der Richter verkündet eine Sitzungspause. Alle stehen auf und gehen aus dem Saal auf den Flur. Franz N. nähert sich seinem verhassten Schwager Georg G. Sie streiten sich und raufen, da zückt Franz N. seinen Revolver der Marke Smith & Wesson, zielt auf Georg G. und schießt – nur daneben. Er trifft dessen Frau Brigitte G. (48).
Brigitte G. stirbt im Gebäude
Mindestens eine Kugel durchbohrt sie. Brigitte G. sinkt auf den Flurboden. Sanitäter können sie wiederbeleben, ihre Verletzungen sind aber zu schwer. Sie stirbt im Gebäude. Nach dem Schuss ballert Franz N. um sich: Er verletzt Georg G.’s Anwalt Anton S. und seine zweite Schwägerin Rosa W. schwer. Dann geht er zurück in den Sitzungssaal.
Franz richtet sich selbst
Der Richter und ein Anwalt sitzen noch da. Vor seinen Augen legt Franz N. den Lauf seines Revolvers an seinen Schädel und setzt seinem Leben ein Ende – das schreckliche Ende eines verworrenen Erbstreits, den zwei Menschen mit dem Leben bezahlten.
Der Selbstmord nach der Selbstjustiz – Franz N. hatte ihn geplant. Stunden nach der Tat gibt sein Schwager Max S. in Dingolfing einen Abschiedsbrief und eine Erklärung heraus (siehe unten). Im handgeschriebenen Abschiedsbrief schreibt Franz N. als erste Sätze: „Heute ist wohl mein letzter Morgen. Ich fühle mich nicht als Mörder, wenn es passiert.“
In der Erklärung schreibt der Vater einer Tochter und eines Sohnes etwas über sein Motiv: Es war blanker Hass auf seine Verwandten, der über die Jahre wuchs.
Am Anfang war noch alles gut. 1995 lässt sich Franz N. von seiner ersten Frau scheiden und arbeitet in einem Gasthaus bei Frontenhausen südlich von Dingolfing. Dort lernt er die Kindergärtnerin Mathilde S. kennen. Die Mutter zweier Töchter lebt in einem Einfamilienhaus in Dingolfing. Franz N. findet Arbeit in einem Altenpflegezentrum, packt seine Sachen und zieht zu ihr. Im Gepäck hat er auch Waffen – der gelernte Koch war Sportschütze und besaß drei Waffen. Seit 1974 hattte er eine Erlaubnis dafür.
Es ging um ein Haus in Augsburg
2002 stirbt Mathildes Vater und hinterlässt seinen sieben Kindern ein Haus in Augsburg. Der Wert: 200 000 Euro. Es kommt zum Streit. Auf der einen Seite stehen Mathilde, ihr Mann Franz N. und ihr Bruder Werner G. Auf der anderen Seite sind Mathildes Bruder Georg G., ihre Schwester Rosa W. und deren Mann Fritz.
Der Streit eskaliert: Die verfeindeten Familienmitglieder verklagen sich gegenseitig. Seit zehn Jahren seien sie von Mathildes Verwandten „terrorisiert“ worden, schreibt Franz N. in seiner Erklärung. „Es gab 50 Fälle von unsinnigen Klagen, Anzeigen, Diffamierungen und Beleidigungen.“ 34 Verfahren seien daraus entstanden. „Dieser Zustand ist von meiner krebskranken Frau und mir nicht mehr zu ertragen. Ich werde daher andere Wege gehen müssen, um dies zu beenden.“
Er wurde als Mörder bezeichnet
Georg G. habe ihn außerdem mehrmals als „Mörder“ bezeichnet, sagt sein Schwager – wegen eines Autounfalls, in den Franz N. wohl verwickelt war. Es ist unklar, ob Franz N. darauf in seinem Abschiedsbrief anspielt.
Am Ende verlor Mathilde S. den Gerichtsstreit: Ihre Geschwister setzten eine Zwangsvollstreckung mit Bußgeldbescheid durch. Und Franz N. griff zum Revolver.
Der Abschiedsbrief
"Heute ist wohl mein letzter Morgen. Ich fühle mich nicht als Mörder wenn es passiert. Ich werde diese Menschen für den jahrzehntelangen Terror bestrafen und Einhalt gebieten. Ich zahle dafür den höchsten Preis: mit meinem Leben.
So geht es nicht mehr weiter. Wenn man Angst vor der Post haben muss, da fast täglich Anwalts- Gericht- oder Post von der Staatsanwaltschaft kommt. Und wir haben niemals etwas Unrechtes getan. Nur weil es denen Freude macht, uns zu terrorisieren.
G.G. sagte mir 2005, jetzt gehts erst richtig los, als er auch noch für Carina G. die Verfahren führte. Franz N."
Daniel Aschoff, Ralph Hub, Thomas Gautier