„Ich bin keine ausgeflippte Schlager-Tante“

Claudia Jung (45) über ihr Leben auf dem Land, mit ihrer Familie und vielen Tieren, über ihr politisches Engagement im bayerischen Landtag – und wie sie es schafft, das alles unter einen Hut zu bringen
von  Abendzeitung
Mit ihrer Tochter Anna, die sie über alles liebt, sang Claudia Jung den Hit „Heut fliegt ein Engel durch die Nacht“.
Mit ihrer Tochter Anna, die sie über alles liebt, sang Claudia Jung den Hit „Heut fliegt ein Engel durch die Nacht“. © Martha Schlüter

Claudia Jung (45) über ihr Leben auf dem Land, mit ihrer Familie und vielen Tieren, über ihr politisches Engagement im bayerischen Landtag – und wie sie es schafft, das alles unter einen Hut zu bringen

Sie gehört zu den ganz Großen des deutschen Schlagers: Claudia Jung (45). Seit 25 Jahren steht die Grande Dame, wie sie gerne bezeichnet wird, auf der Bühne. Ihre mehr als 20 Alben, die sie in dieser Zeit veröffentlicht hat, erreichten fast alle Gold- oder Platinstatus. Und es gibt fast keinen Preis, den sie noch nicht eingeheimst hätte. Goldene Stimmgabel, Echo, Fred-Jary-Preis. Seit Herbst 2008 sitzt die attraktive Sängerin für die Freien Wähler auch noch im Bayerischen Landtag. Am 7.März gastiert Claudia Jung in der Jako-Arena in Bamberg. Die AZ sprach mit ihr über ihre Doppelrolle als Künstlerin und Politikerin.

AZ: Wo fühlen Sie sich besser – auf der politischen Bühne im Landtag oder im Rampenlicht des Show-Bizz?

CLAUDIA JUNG: Das lässt sich nicht ohne weiteres miteinander vergleichen. Wenn ich es aber kurz auf einen Nenner bringen soll, könnte man es vielleicht so ausdrücken: Mein Herz gehört der Musik, mein Verstand der Politik.

Die Unterschiede sind aber auch nicht ganz klein. In Ihren Liedern vermitteln Sie das Bild einer vergleichsweise heilen Welt, in der Politik geht es um Themen wie Landesbank-Affäre, um Umweltverschmutzung, um zunehmende Armut. Wie bringen Sie das unter einen Hut?

Ich sehe da kein Problem. In meinen Liedern geht es um Themen wie Liebe, Sehnsucht, Hoffnung, Enttäuschung, Glück. Davon ist jeder betroffen, damit kann jeder etwas anfangen. Den Anspruch, die Gesamtbreite der Lebenswirklichkeit in meinen Lieder darzustellen, habe ich nicht. Was soll das auch? Ich möchte den Menschen bei meinen Auftritten und mit der Musik ein paar angenehme Stunden bereiten. Das ist der Sinn dabei. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und wenn man so denkt, heißt das ja noch lange nicht, dass man die gesellschaftliche Realität nicht wahrnimmt.

Politisches Augenmerk auf Familien-, Bildungs- und Gesundheitsthemen

War das auch der Grund dafür, dass Sie ins politische Geschäft eingestiegen sind?

Der Reiz, etwas ändern, etwas verbessern zu können, hat sicherlich eine Rolle beim Einstieg in die Politik gespielt. Am Anfang, vor etwa zehn Jahren, war der Grund allerdings etwas banaler. Freunde aus meiner Heimatgemeinde haben mich gefragt, ob ich nicht auf der Liste der Christlichen Wählergemeinschaft für den Gemeinderat beziehungsweise den Kreistag kandidieren möchte. Da ich mich ohnehin schon in verschiedenen Formen, etwa im Elternbeirat der Schule, engagiert habe, war der Schritt auf lokaler Ebene nicht so groß.

Sie sind Sternzeichen Widder, denen man Durchsetzungskraft, aber auch eine gewisse Dickköpfigkeit nachsagt. Jetzt sitzen Sie für die Freien Wähler im Bayerischen Landtag. Haben Sie gezielt darauf hingearbeitet?

Das kann man wirklich nicht sagen. Ich habe auf Listenplatz 20 kandidiert, also auf einer eher aussichtslosen Position.

Und dann wurden Sie von den Wählern ganz weit nach oben katapultiert, erzielten ein Traumergebnis. Hatten Sie wenigstens ansatzweise damit gerechnet?

Gerechnet bestimmt nicht, vielleicht insgeheim gehofft.

Und wie weit soll die politische Karriere gehen? Werden Sie vielleicht die erste bayerische Ministerpräsidentin?

Lassen wir mal schön die Kirche im Dorf. Ich bin ein politischer Quer- und Späteinsteiger und befinde mich in dieser Hinsicht noch im Lernprozess. Mir macht die Arbeit im Landtag viel Spaß, das ist keine Frage. Aber alles andere wären Hirngespinste, für die ich mich nicht hergebe.

Haben Sie sich in der politischen Alltagsarbeit gewisse Schwerpunkte gesetzt?

Mein besonderes Augenmerk gilt den Familien-, Bildungs- und Gesundheitsthemen. Da muss noch viel bewegt werden.

Was zum Beispiel?

Bildung darf nie eine Frage des Geldbeutels sein. Die Befreiung von Studiengebühren und mindestens ein kostenfreies Kindergartenjahr wären der richtige Schritt. Genauso wie mehr Ganztagsschulen, um speziell Müttern eine größere Beschäftigungschance zu eröffnen.

Sie leben seit rund zehn Jahren mit Ihrer Familie im Landkreis Pfaffenhofen in Oberbayern. Sind die Menschen dort stolz darauf, die Grande Dame des deutschen Schlagers als Nachbarin zu haben?

Stolz oder nicht stolz, darauf kommt es nicht an. Ich wollte ein Teil der Gemeinde werden und glaube, dass ich das auch geschafft habe. Am Anfang habe ich schon eine gewisse Skepsis gespürt. Aber inzwischen weiß hoffentlich jeder, dass ich nicht die ausgeflippte Schlager-Tante bin, sondern mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehe.

Was war denn der Beweggrund, vom glamourösen Leben in der Großstadt München Abschied zu nehmen und aufs Land zu ziehen?

Da haben meine Tiere den entscheidenden Ausschlag gegeben. Pferde, Ziegen und Minischweine in der Stadt zu halten, ist wohl eher schwierig.

Sind Pferde wohl Ihre große Leidenschaft?

Sagen wir: Tiere im Allgemeinen.

Ihre Liebe zu Tieren schlägt sich auch darin nieder, dass Sie den Pauli-Hof bei Augsburg unterstützen. Was geschieht dort genau?

Nicht wegen der Tiere, sondern wegen des Projektes an sich. Dort werden mit Hilfe der Tiere schwer traumatisierte Kindern und Jugendliche therapiert. Das ist etwas, was mich fasziniert und was ich gerne mit allen meinen Möglichkeiten unterstütze.

Wenn man alle Ihre Engagements zusammenzählt, könnte man schnell den Eindruck gewinnen, dass Ihnen die 24 Stunden eines Tages nicht reichen. Wer bleibt auf der Strecke?

Ich gebe ja zu, dass ich durch mein politisches Mandant, meine künstlerische Tätigkeit und in meiner Rolle als Ehefrau und Mutter schon ziemlich stark ausgelastet bin. Ich versuche, allen Interessen gerecht zu werden, auch wenn das nicht immer zu 100 Prozent klappt. Die wenigsten Abstriche möchte ich allerdings bei meiner Familie machen, denn die geht mir über alles.

"Ich habe damals nicht im Traum daran gedacht, dass ich Musik zu meinem Beruf machen könnte"

Ihr Mann ist zugleich auch Ihr Produzent. Wer hat bei der Aufnahme einer CD oder der Zusammenstellung des Repertoires Ihrer Auftritte mehr zu sagen? Sie oder er?

Manchmal müssen wir Kompromisse schließen, vor allem wenn es um Details geht. Bei grundsätzlichen Dingen muss es aber der Künstler tun. Speziell bei Texten, denn die muss ich auf der Bühne präsentieren und auch überzeugend darbieten.

Das machen Sie ja schon seit vielen Jahren. Sie gehören längst zu den absoluten Top-Stars des deutschen Schlagers. Wann hat denn Ihre Karriere genau begonnen?

Ich habe schon als kleines Kind gerne gesungen, später in der Schule, dann auch in einem Chor. Die ersten Gagen, die eher ein Taschengeld waren, habe ich mit 16 bekommen...

...und damals auch schon von einer Gesangskarriere geträumt?

Eigentlich nicht. Oder, um es genauer zu sagen, ich habe damals nicht einmal im Traum daran gedacht, dass ich Musik zu meinem Beruf machen könnte.

Was hatten Sie sich beruflich denn damals vorgestellt?

Als ich mit 18 von der Schule ging, hatte ich überhaupt keine genauen Vorstellungen. Ich habe es zunächst einmal als Fotolaborantin versucht, was mir auch Spaß gemacht hat. Aber irgendwann wurde mir klar, dass ich mein Arbeitsleben auf keinen Fall in einem dunklen, nach Chemikalien stinkenden Keller verbringen möchte.

Also dann doch lieber das Rampenlicht?

Erst einmal eine Ausbildung als Arzthelferin. Mir war wichtig, mit Menschen zusammenzutreffen. Das Blöde war: Ich habe Probleme damit, Blut zu sehen. Schon die Verarztung unseres Dackels hat mich damals an den Rand der Ohnmacht getrieben. Aber ich dachte fälschlicherweise, dass sich das legen würde. Danach habe ich mir eine Auszeit genommen und in Italien für ein Reisebüro deutsche Touristen betreut.

Und wann fing es dann richtig an?

1985 wurde der Grundstein gelegt. Ich lernte per Zufall den Musikproduzenten Adam Schairer kennen. Er war auf der Suche nach jungen Talenten mit einer Affinität zu deutschen Schlagern. Ein Jahr später erschien meine erste Single „Immer wieder eine Hand voll Zärtlichkeit"...

...die sich rasend verkaufte?

Ein Achtungserfolg war es, mehr nicht. Erst die dritte Single „Amore, amore" brachte den Durchbruch - und erst danach habe ich mich entschieden, die Musik zu meinem Beruf zu machen, auch wenn alle meine Freunde gesagt haben, dass ich spinne.

Gerade als es richtig losging, sind Sie vom Pferd gefallen, erlitten einen mehrfachen Schädelbruch und eine Monate lang anhaltende Stimmbandlähmung. Rechneten sie damals damit, dass schon wieder alles vorbei ist?

Überhaupt nicht. Daran habe ich keinen einzigen Gedanken verschwendet. Ich bin ein Mensch, der optimistisch nach vorne blickt. Wie ernst es um mich stand, habe ich erst mitbekommen, als ich einmal die Krankenunterlagen genau studiert habe. Doch zu dem Zeitpunkt ging es mir bereits wieder gut.

Wieso waren ihre Freunde so skeptisch? Haben die wohl nicht an Sie geglaubt?

Mitte der 80er Jahre, als die Entscheidung anstand, war deutscher Schlager total out. Und es konnte damals auch keiner damit rechnen, dass sich das ändern würde. Doch mir war das mehr oder weniger egal.

Sie gehören zu denen, die das Gegenteil bewiesen haben. Ihre Konzerte sind ausverkauft, Ihre Alben verkaufen sich wie warme Semmeln, Sie sind ständig im Fernsehen zu sehen. Waren Sie sich so sicher, dass es klappen würde?

Ich war mir überhaupt nicht sicher, aber ich liebe Musik, ich liebe den Schlager.

Interview: Helmut Reister

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