Hurenmord: Unheimlicher Briefe-Schreiber enttarnt!

NÜRNBERG/SAARBRÜCKEN - Peinlich für die Polizei: Die Profiler haben sich massiv geirrt. Der verhaftete Saarländer (34) hat mit dem Verbrechen nichts zu tun.
Die Blamage ist perfekt! Ein anonymer Briefeschreiber, den die Polizei für einen Serienmörder hielt und mit gewaltigem Aufwand jagte, hat mit den ungeklärten Verbrechen überhaupt nichts zu tun! Der Absender der Briefe, der auch damit drohte, DJ Ötzi zu ermorden (AZ berichtete), ist ein 34 Jahre alter psychisch gestörter Mann aus dem Saarland.
Der Spuk begann im November 2005
Im November 2005 begann der Spuk: Bei der Kripo in Nürnberg landete ein Schreiben, in dem es um den Mord an der Prostituierte Heiderose Berchner (29) ging. Ihre verbrannte Leiche war 1970 auf einem Acker gefunden worden, aber ihr Mörder blieb unentdeckt. Sechs weitere Briefe folgten – und die Polizei stellte Verbindungen zum Mord einer 13-jährigen Schülerin aus Bielefeld (1962) her. Später rechnete sie dem unbekannten Killer noch fünf Morde an Prostituierte in Süddeutschland zu. Wie jetzt herauskam, bezichtigte sich der wahnsinnige Briefeschreiber noch zahlloser anderer Gewalttaten. Er behauptete, zwischen 1961 und 1992 insgesamt 13 Morde begangen zu haben.
Die Polizei war sich sicher, den Mörder zu kennen
Und die Polizei glaubte ihm. Erst vor wenigen Wochen sagte ein Polizeisprecher voller Überzeugung zur AZ: „Wir sind uns sicher, dass die Briefe der Mörder geschrieben hat. Es werden Details genannt, die nur er kennen kann.“ Von wegen! Bei der Durchsuchung der Wohnung des jetzt entlarvten Briefeschreibers wurde ein ganzes Archiv mit Zeitungsausschnitten und Aufzeichnungen von XY-Sendungen gefunden. „Daraus bezog der Mann sein Wissen“, musste jetzt die Pressestelle der saarländischen Polizei kleinlaut einräumen. Nach außen wird seine Entlarvung trotzdem als Fahndungserfolg dargestellt.
Der Briefeschreiber wollte sich wichtigmachen
Dabei waren es nicht die Fahndungsmaßnahmen der Polizei und der bereits angelaufene DNA-Test von 5000 älteren Herren aus dem Saarland, unter denen die Polizei den Serienmörder vermutete – ein Briefträger hatte den entscheidenden Hinweis auf den psychisch Kranken geliefert! Der Polizei wurde er quasi auf dem Präsentierteller geliefert. Der 34-Jährige hatte sich wegen seiner Krankheit vor zwei Wochen freiwillig stationär in eine Klinik zur Behandlung aufnehmen lassen. Bei seiner Vernehmung räumte er sofort ein, dass die anonymen Schreiben von ihm stammen. Die behandelnden Ärzte gehen davon aus, dass er sich mit dem Verfassen der Briefe nur wichtigmachen wollte. „Er war vom Wunsch nach Aufmerksamkeit beseelt“, sagte ein Polizeibeamter zur AZ.
Für die Angehörigen der Mordopfer ist die Wende ein schwerer Rückschlag
Auch für die Angehörigen der Mordopfer, die neue Hoffnung geschöpft hatten, dass der wirkliche Mörder nach den vielen Jahren doch noch dingfest gemacht werden könnte, ist die plötzliche Wende ein schwerer Rückschlag. Wie elektrisiert hatten sie die Veröffentlichungen verfolgt, in denen die Polizei so tat, als sei sie dem Killer ganz dicht auf der Spur. „Mindestens 65 Jahre alt, herzkrank, Deutscher, Lkw-Fahrer, Kontakte zum Rotlicht-Milieu, Bewohner der Hochwaldregion im Saarland“ – alles Merkmale, die sie mit dem Killer in Verbindung brachten. Das ist jetzt nicht mehr als Makulatur. Helmut Reister