Hütten-Neubau sorgt für Streit in Bayern: Ist das ein "Fremdkörper" oder "moderne Architektur"?

Rottach-Egern - Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Aktuell sind sich der Deutsche Alpenverein (DAV), Sektion Oberland, und die Gemeinde Rottach-Egern (Landkreis Miesbach) uneins. Stein des Anstoßes: Die neu errichtete Blankensteinhütte in den Tegernseer Bergen, die Ende Juli fertiggestellt und eingeweiht werden soll. Zu den Kosten will die Sektion Oberland keine Angaben machen, auch nicht, um welche Größenordnung es sich dabei handelt. Die Selbstversorgerhütte ist aus Stein, Holz und Glas gebaut.
Ein Hingucker: die bodentiefen Fenster an der Ost-Fassade, die nach Angaben der Sektion Oberland "in der nutzungsfreien Zeit mehr Wärme in die Hütte bringen sowie mehr Helligkeit im Winter". Generell wirkt der Stil des Architekturbüros Rainer Schmid modern. Und genau das missfällt dem Bauausschuss der Gemeinde, der deshalb gegen einen Nachtragsbauantrag gestimmt hat.
Blankensteinhütte in den Tegernseer Bergen: Die Fenster seien zu groß, beklagt der Bauamtsleiter
Auf AZ-Anfrage bestätigt Alexander Eberl, stellvertretender Bauamtsleiter, dass in der oberbayerischen Region bei Berg- und Almhütten große Fensterflächen untypisch seien. Der Grund: Die Wärmegewinnung erfolgt über Öfen. "Folglich wurden Öffnungen wie Fenster so gering wie möglich gehalten. Die bestehenden Berg- und Almhütten fügen sich daher optisch bestmöglich in die landschaftstypische Umgebung ein." Genauso eine Optik hätte sich auch die Gemeinde gewünscht. Sie ist überzeugt, dass aus diesem Grund Urlauber, Wandertouristen und Ausflügler die Hütten gerne aufsuchen, um dort Rast zu machen.
Auch Bürgermeister Christian Köck (CSU) ist von der architektonischen Umsetzung nicht begeistert. "So wie es jetzt ist, ist es ein Fremdkörper", zitiert ihn der "Merkur". Aus diesem Grund schlug die Gemeinde vor, "dass zusätzlich Schiebetüren angebracht werden, um die untypischen Fensterfronten bei Leerstand der Hütte verdecken zu können", erklärt Eberl. Allerdings sei der Vorschlag im Nachtragsbauantrag nicht berücksichtigt worden. Zusätzlich moniert das Bauamt, dass der "Dachüberstand an der nördlichen Fassade" nicht eingehalten werde und damit im Widerspruch zur gemeindlichen Gestaltungssatzung stehe.
"Alle Vorgaben werden vollständig erfüllt", wehrt sich die DAV-Sektion Oberland
Die Sektion Oberland des DAV kann die Kritik nicht nachvollziehen. Man sei "irritiert". Hannah Trowal, Sprecherin der Sektion Oberland, zur AZ: "Die moderne Architektur der Hütte greift die hüttentypische Formensprache der bayerischen Voralpen auf. Alle Vorgaben der Ortsgestaltungssatzung werden vollständig erfüllt." Sogar wesentliche "Ausprägungsmerkmale der Hütte" seien im Rahmen des ursprünglichen Bauantrags von der Gemeinde genehmigt worden. Darüber, dass die bodentiefen Fenster nicht jedem gefallen, sei sich die Sektion Oberland bewusst.
Trowal räumt im Gespräch mit der AZ ein, dass die Eingangstür als solche nicht zu erkennen sei und es daher Änderungen geben werde. "Die Hütte unterliegt den Vorgaben einer Beherbergungsstätte. Daher konnte die Tür nicht wie gewohnt nach innen aufgehen. Damit die Tür bei Hüttenbetrieb um 180 Grad geöffnet werden kann, haben wir uns dazu entschieden, sie flächenbündig in die Fassade zu integrieren." Auch eine weitere Monierung seitens der Gemeinde wird behoben: das Betonfundament. Aktuell ist es sichtbar, wird laut Trowal aber vor der Fertigstellung im Juli mit Holz verkleidet.
Ein weiterer Punkt, den die Bauausschussmitglieder kritisieren, ist ein nachträglich eingereichter Bauantrag, der "erforderlich war, da die Errichtung nicht nach den genehmigten Plänen aus dem Jahr 2022 erfolgte", so Eberl. Konkret: Änderungen wurden erst im Nachgang beantragt beziehungsweise sollten erst dann vom Bauamt genehmigt werden. Die Folge: Der Bauausschuss votierte unlängst einstimmig gegen den Nachtragsbauantrag. Trowal dazu: "Die vom Bauausschuss gerügten Bestandteile waren nicht Teil des Tektur-Antrags. In diesem ging es um die Nachgenehmigung eines Wetterschutzes und eines Schrankes für Außenwerkzeug wie Schubkarren, Schaufeln, Holzspalter." Vielmehr seien wesentliche architektonische Ausprägungsmerkmale der Hütte in der realisierten Form vom Bauausschuss vor zwei Jahren als rechtskonform abgesegnet worden.
Der DAV pocht darauf, dass es sich um eine moderne Umsetzung handle
Bevor die neue Blankensteinhütte erbaut wurde, stand an gleicher Stelle eine Unterkunft, die Anfang der 1950er Jahre eingeweiht wurde. 2017 musste sie wegen Brandschutz- und statischen Mängeln geschlossen und abgerissen werden. "Eine Sanierung war nach intensiver Prüfung nicht möglich beziehungsweise wirtschaftlich nicht sinnvoll", so Trowal. Daraufhin beantragte die Sektion Oberland 2022 beim Landratsamt den Neubau. Das Besondere an der neuen Blankensteinhütte, die abseits der üblichen Wanderwege in einem Waldstück steht, ist nach Angaben der Sektion Oberland "die Umsetzung einer Insellösung ohne öffentliche Versorgung".

Ein Gesamtkonzept, das teilweise auf bewährte Lösungen wie Photovoltaik- und Solar-Luftanlage zurückgreife. Des Weiteren standen Autarkie, Umweltschutz und Regionalität der Materialien im Vordergrund. Ziel sei es auch gewesen, "die Idee von Selbstversorgerhütten aus dem 20. Jahrhundert in die Gegenwart zu transformieren", sagt Sprecherin Trowal. Der Clou: Die spezielle Luftzirkulation sorgt dafür, dass Feuchtigkeit, die durchs Kochen oder die Atemluft entsteht, entweichen kann. "Im Gegensatz zu vielen traditionellen und älteren Bauwerken unterbindet der aktuelle Stand der Technik diesen Luftaustausch, weil es einfach nimmer zieht", sagt Trowal.
Streit um Blankensteinhütte: Der Matchball liegt beim Landratsamt Miesbach
Die finale Entscheidung über die Hütte liegt beim Landratsamt Miesbach, welche die Genehmigungsbehörde ist. Auf AZ-Anfrage teilt die Pressestelle mit, dass der nachträgliche Bauantrag gegenwärtig noch nicht vorliege, weshalb zum Sachverhalt keine Angaben gemacht werden oder Einschätzungen abgegeben werden können. Nur so viel: "Vorab kann lediglich angemerkt werden, dass im Baurecht der Einschätzung der Gemeinde bei Bauten im Außenbereich (um ein solches handelt es sich hier zweifelsohne) sehr viel Bedeutung zukommt."
Sollte das Landratsamt Miesbach zu einer anderen Entscheidung als der Bauausschuss der Gemeinde Rottach-Egern kommen, "werden der Gemeinde hierfür die Gründe erläutert und diese erhält die Gelegenheit zur nochmaligen Stellungnahme durch den Ortsplanungsausschuss", erläutert Eberl das Prozedere. Die Sektion Oberland glaubt, die Vorgaben zu erfüllen. Trowal sagt aber auch: "Falls jedoch das Landratsamt zu einer anderen rechtlichen Einschätzung kommen sollte, werden wir alle gebotenen Anpassungen an dem Bauprojekt vornehmen."