Hubert Haderthauer erstellt immer noch Gutachten
Bei der Ingolstädter Justiz sorgt die "Causa Haderthauer" für verwirrende Zustände und ein vergiftetes Klima.
Die fragwürdigen Modellauto-Geschäfte in der Psychiatrie, die Christine Haderthauer ihren Job als Chefin der Staatskanzlei gekostet haben und zur Zeit von einem Untersuchungsausschuss des Landtags durchleuchtet werden, belasten auch die Justiz in Ingolstadt. Das Klima dort ist vergiftet.
Bis vor wenigen Monaten kennzeichnete ein geradezu freundschaftliches Verhältnis die Beziehung zwischen den Richtern, Staatsanwälten und Hubert Haderthauer, der seit 25 Jahren der Landgerichtsarzt in Horst Seehofers Heimatstadt ist und im Auftrag der Gerichtsbarkeit Psycho-Gutachten und anderweitige medizinische Expertisen erstellt. Die außergewöhnliche Intensität der gegenseitigen Nähe ist durch einen Vorgang dokumentiert, der in der modernen Justizgeschichte Deutschlands wohl einmalig sein dürfte.
Weil sich alle 17 in Ingolstadt beschäftigten Richter selbst für befangen erklärten, konnte ein Zivilprozess nicht stattfinden. Die besondere Süffisanz des Vorgangs liegt darin begründet, dass Hubert Haderthauer der Beklagte war – und sein langjähriger Geschäftspartner bei der Modellauto-Produktion, Dreifachmörder Roland S., der Kläger. Zu den Richtern, die sich in dem Verfahren mit einem Befangenheitsantrag in eigener Sache selbst schachmatt setzten, gehört auch Sybille Dvorazik, die Präsidentin des Landgerichts.
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Inzwischen ist der einstige Freund Hubert zu einem schweren Störfall für die gesamte Ingolstädter Justizbehörde geworden. Justizsprecher Gerhard Reicherl ist wie immer um Contenance bemüht, doch von „Unverständnis“ und „Befremden“, was das Verhalten von Hubert Haderthauer betrifft, spricht auch er. Der Unmut, der sich im Justizkomplex breitgemacht hat, hängt mit einer Strafanzeige des Haderthauer-Anwalts und der spezifischen Rolle zusammen, die die Gerichtspräsidentin in der „Causa Haderthauer“ direkt spielt.
Ein Anwalt verweigert die Begutachtung seines Mandanten
Zu den diversen Verfahren, in die Hubert Haderthauer involviert ist, gehört auch eine Klage des Freistaats Bayern. Er fordert von dem Landgerichtsarzt rund 50 000 Euro zurück, die er nach Überzeugung seines Dienstherrn unberechtigt abgerechnet hätte. Gerichtspräsidentin Sybille Dvorazik vertritt in diesem Streitfall als Staatsanwältin das Land Bayern und hatte auf Haderthauers Seite den Verdacht der Urkundenfälschung geweckt, weil sie Seiten aus der Akte neu durchnummeriert hatte. Der Vorwurf erwies sich inzwischen als haltlos (AZ berichtete).
Zunehmend Schwierigkeiten mit der Rolle Hubert Haderthauers als medizinischer Gutachter in Gerichtsverfahren reklamieren auch in Ingolstadt tätige Anwälte. Zu einem besonders delikaten Zusammentreffen im Gerichtssaal ist es bereits gekommen. Der Münchner Strafverteidiger Adam Ahmed vertrat vor dem Ingolstädter Landgericht einen Mandanten, der von Hubert Haderthauer begutachtet werden sollte. „Dagegen habe ich mich gesträubt“, erzählt Ahmed, „und mit Erfolg.“ Das gewichtige Argument, das er in die Waagschale werfen konnte: Er vertritt auch den Dreifachmörder Roland S., der die Klage gegen den Landgerichtsarzt laufen hat und als hochkarätiger Belastungszeuge in der „Modellauto-Affäre“ in Erscheinung tritt.
Ein anderer Ingolstädter Anwalt beschreibt das grundsätzliche, derzeit herrschende Problem so: „Einem Mandanten, dem Straftaten vorgeworfen werden, ist schwer zu erklären, dass er von Hubert Haderthauer begutachtet werden soll, der selbst schwerer Straftaten bezichtigt wird.“
Oppositionsparteien fordern die sofortige Suspendierung
Für die Oppositionsparteien im Landtag ist nach dem bisherigen Verlauf des Untersuchungsausschusses das erträgliche Maß im Umgang mit dem Ingolstädter Landgerichtsarzt bereits deutlich überschritten. Ulrike Gote (Grüne), die im Untersuchungsausschuss sitzt, weist auf die geltende Unschuldsvermutung hin, plädiert dennoch für eine „sofortige Suspendierung“ Haderthauers von seinem Dienst, zumindest bis Abschluss der gegen ihn laufenden Verfahren. Die Abgeordnete: „Mittlerweile muss davon ausgegangen werden, dass Herr Haderthauer sämtliche ärztliche Grundsätze über Bord werfen kann, um private geschäftliche Interessen durchzusetzen. Das ist nicht mit den Aufgaben eines Arztes vereinbar.“
Haderthauers Freistellung vom Dienst hat der ebenfalls im Untersuchungsausschuss sitzende Abgeordnete Peter Bauer (Freie Wähler) schon vor geraumer Zeit gefordert. Selbst für den Vorsitzenden des Ausschusses, Horst Arnold (SPD), sind derartige Überlegungen nachvollziehbar. Der frühere Richter und Staatsanwalt: „Ich wundere mich, dass er noch immer im Dienst ist.
In juristischen Kreisen ist das ein ständiges Gesprächsthema.“ Erstaunlicherweise wäre für so einen Schritt nicht das Justizministerium zuständig, sondern das Ministerium für Gesundheit und Pflege. Dort will man mit dem Hinweis auf die „engen rechtlichen Grenzen“ des Bayerischen Disziplinargesetzes und der „Abwägung mit den Belangen des Beamten“ von einer Suspendierung nichts wissen. „Von einer wesentlichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebs, die eine vorläufige Dienstenthebung ermöglichen würde, ist nicht auszugehen“, erklärte eine Sprecherin des Ministeriums.