Hotspots in Bayern: Früher Masern-, heute Corona-Partys?

Sind die hohen Fallzahlen darauf zurückzuführen? Ein Arzt vermutet dies. Derweil verschärfen viele stark betroffene Landkreise die Maßnahmen wieder.
Ruth Schormann
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Ein Mann geht durch die Altstadt von Mühldorf am Inn. Dieser Landkreis ist momentan deutschlandweit am stärksten von Corona betroffen, wie auch die Grafik des RKI zeigt: Kreise mit Inzidenzen über 500 sind dort pink eingefärbt. Am Freitag waren das außerdem Miesbach, Traunstein und Straubing-Bogen.
Ein Mann geht durch die Altstadt von Mühldorf am Inn. Dieser Landkreis ist momentan deutschlandweit am stärksten von Corona betroffen, wie auch die Grafik des RKI zeigt: Kreise mit Inzidenzen über 500 sind dort pink eingefärbt. Am Freitag waren das außerdem Miesbach, Traunstein und Straubing-Bogen. © picture alliance/dpa

München - Bayerns Sieben-Tage-Inzidenz hat einen neuen Rekord erreicht: Sie lag am Freitag bei 221,9 - höher als je zuvor. Besonders der Südosten färbt sich stetig pink: Kreise, deren Corona-Inzidenzwert die 500 übersteigt, schraffiert das RKI auf seiner Übersichtsseite in der schrillen Farbe. 

Die fünf Landkreise mit der höchsten Inzidenz in Deutschland liegen in Bayern, mit Ausnahme Straubing-Bogens alle in Oberbayern: Am Freitag liegt weiter auf dem ersten Platz Mühldorf am Inn mit 644,7. Danach folgen der Landkreis Miesbach mit 567,0, der Landkreis Traunstein mit einer Inzidenz von 548,2, Straubing-Bogen (510,1) und das Berchtesgadener Land mit 475,9. Woran liegt es? Und was wird dagegen unternommen?

Die AZ hat sich in stark betroffenen Gebieten umgehört.

Mögliche Gründe: In allen Landkreisen zeichnet sich ein ähnliches Bild: "Diffuses Geschehen", "keine größeren Cluster" - das sind Schlagworte, die man überall bei der Frage nach den Ursachen für den starken Anstieg der Corona-Fallzahlen hört. Aus dem Straubinger Landratsamt heißt es etwa: "Innerhalb von Familien werden in der Regel nahezu alle Mitglieder positiv. Betroffen sind auch viele Schulen und Kindertageseinrichtungen."

Auch Wolfgang Haserer, Sprecher des Landratsamtes Mühldorf am Inn, teilt der AZ mit, die Delta-Variante, die im Landkreis vorherrsche, sei besonders ansteckend.

"Zudem machen die Lockerungen in allen Bereichen wieder vielfältige Kontakte möglich. Der Landkreis Mühldorf am Inn liegt geografisch im südostbayerischen Raum, der als Region insgesamt hohe Inzidenzwerte aufweist. (...) Zum erneuten Anstieg haben vor allem viele Reiserückkehrer in den Sommerferien beigetragen. So gesehen ist der Landkreis Mühldorf am Inn bereits auf einem höheren Niveau in die vierte Welle gestartet", meint Wolfgang Haserer. Aus Miesbach heißt es nur: "Es gibt keine größeren Cluster und keine betroffenen Einrichtungen. Das Infektionsgeschehen ist diffus."

Feiern Menschen extra "Corona-Partys" um sich absichtlich anzustecken?

Absichtliche Ansteckungen? Gerüchten zufolge feiern vor allem jüngere Menschen in den Landkreisen extra "Corona-Partys", um sich absichtlich das Virus einzufangen. Der Hintergrund: Wer eine Infektion durchgemacht hat, gilt sechs Monate als genesen - und spart sich demzufolge als Ungeimpfter das Geld für durch die 3-G-Plus-Regeln erforderliche teure PCR-Tests. Etwa für Discobesuche.

Der Ärztliche Koordinator im Kreis Miesbach, Dr. Florian Meier, hatte unlängst in einem Interview mit dem "Merkur" gesagt, er habe von solchen Partys aus mehreren verlässlichen Quellen erfahren. Er bezeichnete das Vorgehen als "äußerst leichtsinnig", die Folgen von Long Covid seien nicht zu unterschätzen. Auch die Patienten auf den Intensivstationen würden immer jünger.

Im Miesbacher Landratsamt weiß man, zumindest offiziell, nichts von derartigen Partys, wie Sprecherin Sophie-Marie Stadler der AZ auf Anfrage mitteilt. Es lägen dem Gesundheitsamt "keine bestätigten Informationen" dazu vor. Auch in Mühldorf weiß Sprecher Wolfgang Haserer nichts von Corona-Partys, verweist aber auf "mehrere Einzelereignisse" wie Hochzeiten, Fußballspiele oder Club-Besuche, die die Zahlen in die Höhe getrieben hätten.

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Und aus dem Straubinger Landratsamt teilt Marianne Gebhardt mit: "Über derartige Partys liegen uns keine Berichte vor. Wir kennen jedoch sehr viele Fälle von ungeimpften Personen, die schwer bis lebensgefährlich erkrankt sind, weshalb wir dringend empfehlen, derartige Veranstaltungen zu meiden."

Die Hauptbetroffenen: Das sind derzeit, wie Sophie-Marie Stadler aus Miesbach bestätigt, vor allem Jüngere unter 35 Jahren. Auch in Mühldorf kommt es derzeit zu den meisten Ansteckungen bei Menschen im Alter zwischen 15 und 34. "Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene" heißt es auch aus Straubing.

"Seit Monaten wird den Leuten die Impfung nachgetragen"

Verschärfte Regeln: Am Freitag haben mehrere Landratsämter mitgeteilt, dass die besonders betroffenen oberbayerischen Landkreise Mühldorf, Altötting, Traunstein, Berchtesgadener Land und Miesbach sowie Stadt und Landkreis Rosenheim gemeinsam beschlossen haben, ab 1. November in Clubs und Diskotheken Zugang nur noch für Geimpfte und Genesene (2G) zu erlauben.

Außerdem müsse wieder eine FFP2-Maske getragen werden, wo bislang auch eine medizinische Maske ausreichend war, etwa in Geschäften oder Supermärkten sowie im Öffentlichen Nahverkehr.

Erweitertes Impfangebot? Die Impfquoten in den stark betroffenen Gebieten liegen zwischen 61 und 65 Prozent (ohne Betriebsarzt-Impfungen) - und damit im Bayernschnitt, der laut Gesundheitsministerium bei 64 Prozent vollständig Geimpften liegt. In Mühldorf gibt es nun diesen Samstag einen Sonderimpftag an sechs Standorten, teilt der Sprecher mit. In Miesbach wurde der Einsatz des Impfbusses um vier Wochen verlängert.

In Straubing sind keine größeren Aktionen geplant. Marianne Gebhardt erläutert: "Seit Monaten werden den Leuten die Impfungen 'nachgetragen'. Selbst niedrigstschwellige Impfangebote werden sehr wenig wahrgenommen (Sechs Stunden am Stadtplatz an einem Einkaufssamstag - nach uns vorliegenden Informationen wurden dabei fünf Impfungen durchgeführt)." Auch bei anderen Angeboten sei die Resonanz "sehr mager" gewesen. Das Angebot im Impfzentrum in Straubing gebe es natürlich weiterhin.

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  • Leserin am 31.10.2021 05:59 Uhr / Bewertung:

    Mir fehlen die Worte. Mein Bruder ist seit einem halben Jahr im Krankenhaus wegen Leukämie. Die Chemo- und Antikörpertherapien waren emotional und körperliche Grenzerfahrungen mit Intensivstation etc. Trotzdem hatte er grosses Glück, weil jemand Stammzellen gespendet hat, die jetzt funktionieren. Und jetzt soll er dann in einen der oberbayrischen Hotspots zurück, in dem er wohnt. Mit reduziertem Imunsystem und nicht impfbar.
    Ich kann nicht politisch korrekt ausdrücken, was ich über solche Menschen denke und was ich ihnen wünsche.

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