Horst Seehofer: Sein Kampf ums Lebenswerk

Für CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer läuft es nicht gut. Doch der 68-Jährige stemmt sich mit aller Kraft gegen die Niederlage. Obacht, sagen da die Menschen, die seine Steherqualitäten kennen.
von  Marco Hadem, Christoph Trost
Horst Seehofer steht vor einigen Herausforderungen. In der CSU, aber auch in Berlin.
Horst Seehofer steht vor einigen Herausforderungen. In der CSU, aber auch in Berlin. © dpa

München - So hat sich Horst Seehofer seinen Herbst als CSU-Chef und Ministerpräsident sicher nicht vorgestellt. In der eigenen Partei unter Druck und, schlimmer noch, das politische Erbe mit einer historischen Wahlniederlage beschädigt, die CSU am Scheideweg.

Doch wer den 68-Jährigen kennt, weiß, dass Aufgeben für ihn keine Alternative ist. "Ich fühle mich eigentlich pudelwohl, sauwohl, möchte ich fast sagen. Das kommt bei mir immer so: Wenn’s etwas spannender wird, steigert sich meine Befindlichkeit noch zum Positiven", sagte er nach der deftigen 38,8-Prozent-Pleite bei der Bundestagswahl.

Tatsächlich ist dies aber nur die halbe Wahrheit, wie er einräumt: "Es wäre ja schlimm, wenn das keine Spuren bei einem hinterlässt und einfach abperlt", sagt er – nach Tagen voller Anfeindungen und Rücktrittsforderungen. Seehofer hat in seiner mehr als 45-jährigen Laufbahn viele Schlachten geschlagen. Oft war er es, der seine Gegner in die Ecke trieb und Positionen durchboxte. 28 Jahre Bundestag, zwölf Jahre Staatssekretär und Bundesminister, seit neun Jahren Partei- und Regierungschef. Auch für die CSU eine ungewöhnliche Ämterfülle.

Kritiker werfen ihm einen autokratischen Regierungsstil vor

Dafür zahlt er einen hohen Preis: "Ich gehe ständig an die Grenze dessen, was man sich körperlich zumuten kann." 2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast das Leben kostete. Auch privat bringt Seehofer Opfer: Er habe kaum Zeit für Freunde oder Hobbys, gibt er offen zu. "Das ist sehr, sehr schmerzhaft. Aber man kann nicht Ministerpräsident sein, Parteivorsitzender sein, in Berlin mitregieren, in München regieren, und dann noch ein großes Ausmaß an Freizeit haben."

Seehofer hat seine Gegner über die Jahre nicht immer sanft behandelt, und bis heute schreckt er auch vor lautstarkem Streit mit seinen eigenen Leuten nicht zurück. Intern unvergessen ist Seehofers Rüffel für die Landtagsfraktion, als die das Kommunalwahlrecht zugunsten der CSU ändern wollte. Bei der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium hat er die Fraktion ebenso auf seinen Kurs gezwungen wie einst bei der Abschaffung der Studiengebühren. Nicht umsonst werfen ihm seine Kritiker einen fast autokratischen Regierungsstil vor.

2013 führte er die CSU wieder zur absoluten Mehrheit

Seinen Habitus konnte sich Seehofer aber nicht nur erlauben, weil er in der CSU die beiden wichtigsten Ämter innehat – sondern auch, weil er seit 2013 mit einer schier unerschöpflichen Autorität ausgestattet war. Immerhin war er es, der der CSU 2013 nach schweren Jahren wieder zur absoluten Mehrheit im Land verhalf und im Bund für eine lange herbeigesehnte Durchschlagskraft sorgte. Im Grunde konnte Seehofer seither schalten und walten, wie er wollte. Was er sagte, war in der CSU meist Gesetz.
Hinzu kam eine bundespolitische Wirkungskraft, wie Seehofer es gerne selbst nennt, wie einst zu Zeiten von Franz Josef Strauß. Zu spüren bekam dies immer wieder auch Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), vor allem im Streit über die Flüchtlingspolitik.

Unvergessen ist der CSU-Parteitag 2015, als er versuchte, Merkel wie ein Schulmädchen aussehen zu lassen. Am Ende seiner langen Karriere muss Seehofer ein Meisterstück liefern Seehofers Machtarchitektur ist nun mit der Bundestagswahl stark ins Wanken gekommen. Seine vielen Kritiker vor allem aus der Landtags-CSU wittern Morgenluft. Für sie ist die Ära Seehofer vorbei, Zeit für einen Generationenwechsel.

Das war einst auch Seehofers Plan: 2015 kündigte er an, bis zur Landtagswahl 2018 einen geordneten Übergang der Macht organisieren zu wollen. Im April dieses Jahres kam dann der Rücktritt vom Rücktritt. Über die Gründe wird viel spekuliert, am Ende dürfte es eine Mischung aus mehreren Faktoren sein: ein aus Seehofers Sicht ungeeigneter Bewerber um die Nachfolge namens Markus Söder, eigenes Machtinteresse, Sorge um die Partei.

Die Koalitionsverhandlungen müssen Seehofers Meisterstück werden

So kommt es, dass Seehofer nun am Ende seiner langen Karriere ein Meisterstück gelingen muss, will er seinen Platz in der CSU-Ruhmeshalle erhalten: Obwohl er parteiintern angezählt ist, muss er für die CSU bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin das Maximum herausholen: vor allem die Obergrenze für Flüchtlinge. Und dies nicht nur mit Merkel und der CDU, sondern wohl in einer nie da gewesenen Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen.

Unterstützung erhält Seehofer von Partei-Vize Manfred Weber, der in der "Welt am Sonntag" ein offenes Wort an die Adresse seiner Parteikollegen richtete: "Alle Störfeuer aus der Partei heraus, die eine Personaldebatte ständig anfeuern, sind Gift und schwächen die Position der CSU in München und Berlin. Diejenigen, die jetzt lauthals nur Probleme beschreiben, schaden der CSU."

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