Horst Seehofer beim Münchner Presseclub auf Abschiedstournee

Mit Stil und Anstand will Horst Seehofer das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten an Markus Söder übergeben. Wann genau, lässt er jedoch offen.
Natalie Kettinger |
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Zum letzten Mal als Ministerpräsident im Münchner Presseclub: Horst Seehofer.
Andreas Gebert/dpa Zum letzten Mal als Ministerpräsident im Münchner Presseclub: Horst Seehofer.

Der Stachel sitzt tief. Noch immer. Das wird bei Horst Seehofers letztem Auftritt als bayerischer Ministerpräsident im Münchner Presseclub deutlich. Dass er vom Pro-Söder-Lager nach Berlin gegangen worden ist, hat der CSU-Vorsitzende ganz offensichtlich noch nicht überwunden. Nach dem Fiasko bei der Bundestagswahl habe in der CSU eine Diskussion eingesetzt, die eine "ganz erhebliche Demontage meiner Person" bedeutet habe, beklagt er.

Das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten sei für ihn nach wie vor das "schönste nach dem des Heiligen Vaters". Doch wenn es um wichtige Fragen der Macht gehe, dann springe die Logik manchmal aus den Gleisen. "Fragen Sie andere, warum ich in Bayern aufhören soll, in Berlin aber unverzichtbar bin."

Seehofer fordert "dynamischere Verkehrswende"

Generell zeigt sich der 68-Jährige mit sich im Reinen – "der Freistaat steht so gut da, wie nie in seiner Geschichte" – und angriffslustig. Etwa beim Thema dicke Luft in Städten, bei dem er Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter Contra gibt. Der SPD-Politiker hatte nach dem Leipziger Diesel-Urteil gefordert, der Freistaat solle zonen- oder streckenbezogene Fahrverbote in den Luftreinhalteplan aufnehmen. Er wolle jetzt kein Schwarzer-Peter-Spiel betreiben, kontert Seehofer, aber es gebe auch eine Verantwortung der Kommunen. "Wir sind da miteinander in einer Verantwortungsgemeinschaft", auch mit der Automobilindustrie. Auf andere zu zeigen, sei zu einfach.

Seehofer will keine Fahrverbote, sondern eine "dynamischere Verkehrswende": mit mehr Elektroautos, mit Diesel-Umrüstungen, und zwar zulasten der Autohersteller, mit einer stärkeren Förderung des öffentlichen Nahverkehrs. Das sei "wirksamer gegenüber einer Verbotspolitik".

Auch beim Thema Dritte Startbahn am Münchner Flughafen zeigt er Zähne. Seehofer hatte stets auf eine zeitnahe Entscheidung gesetzt – sein designierter Nachfolger Markus Söder hingegen überraschte unlängst mit der Ankündigung, das Thema aus dem Landtagswahlkampf heraushalten zu wollen. "Schön, dass die Landtagsfraktion nun wieder meiner Meinung ist." Seehofer lächelt zufrieden. "Wie Sie wissen, sind da ja schon Unterschriften gesammelt worden gegen mich."

Zum jüngsten Seitenhieb des scheidenden Bundesinnenministers Thomas de Maizière will er zunächst gar nichts sagen. Er tut es dann doch. Der CDU-Politiker, der Seehofer im Kabinett weichen soll, hatte mit Blick auf die geplante Erweiterung des Innen-Ressorts um die Bereiche Bau und Heimat gestichelt: "Bei der geplanten Ausweitung könnte es schwierig werden, das hinzubekommen. Ich jedenfalls hätte mir diese Breite des Ressorts, wie die CSU sie anstrebt, nicht zugetraut." Dazu Seehofer: "Kein Mensch in der Wirtschaft würde sich darüber beklagen, dass sein Konzern zu groß ist."

Vergessen hingegen scheinen die Querelen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Ich würde jedem von ihnen empfehlen, mal ein paar Tage mit der Kanzlerin zu verhandeln." Sie sei nicht nur extrem gut vorbereitet in die Koalitions-Gespräche gegangen, sie habe zudem eine unheimliche Kondition: "Nicht alle überwinden die Müdigkeit und den Schlaf so wie sie. Bei ihr merkt man überhaupt nichts."

Schulz-Abschied ist für Seehofer unverständlich

Von den Grünen sei er ebenfalls sehr beeindruckt gewesen, als es noch um Jamaika ging, sagt Seehofer. "Die sind in der Sache total zuhause." Das Schicksal des geschassten SPD-Chefs Martin Schulz könne er schlichtweg nicht verstehen. Dieser habe sich als sehr zuverlässiger, integrer Verhandlungspartner erwiesen. "Warum das dann diese Wendung nahm, unmittelbar danach zurückzutreten, ist mir das gleiche Rätsel, wie der Abschied der FDP aus den Jamaika-Verhandlungen."

Vor einem neuerlichen Scheitern der Regierungsbildung – durch ein Nein der SPD-Mitglieder beim noch bis Freitag laufenden Entscheid – warnt der CSU-Vorsitzende angesichts der fragilen Welt-Lage eindringlich. "Das wäre eine Katastrophe, wenn keine Regierung zustande käme, eine absolute Katastrophe." Er sei strikter Gegner einer Minderheitsregierung. "Wenn beim zweiten Anlauf wieder nichts zustande kommt, dann müssen wir neu wählen."

Am Schluss bleiben zwei Fragen: Wann genau wird Seehofer sein Amt an Söder übergeben – und wen nimmt er als CSU-Minister mit nach Berlin? Beide Fragen werden wortreich nicht beantwortet. Die Amtsübergabe werde "mit Stil und Anstand" vonstattengehen. Söders Wahl werde wie versprochen "sehr deutlich" innerhalb des ersten Quartals liegen. Den Termin lege jedoch – nach seiner anstehenden Rücktrittserklärung – der Landtag fest, so Seehofer. "Ich kann auf die Geschicke im Landtag keinen Einfluss nehmen. Das ist Hoheit des Parlaments." Deshalb und auch wegen der offenen Berliner Termine könne er auch noch nicht sagen, ob er bei Söders Wahl im Landtag anwesend sein werde.

Und die Minister? Die CSU soll neben Seehofer zwei Ressortchefs (Verkehr und Entwicklung) stellen. Im Gespräch sind Generalsekretär Andreas Scheuer, Vize-Parteichefin Dorothee Bär und der geschäftsführende Entwicklungsminister Gerd Müller. Der leiste eine vorzügliche Arbeit, sagt Horst Seehofer – "ausdrücklich". Als Festlegung will er das aber nicht verstanden wissen. Erst am Montag will er die Minister-Karten auf den Tisch legen.

Eins steht fest: Zu alt für neue Herausforderungen fühlt sich Seehofer mit 68 Jahren nicht. "Ich sehe gerade beim FC Bayern, dass Leute, die noch älter sind als ich, große Erfolge einfahren." Gemeint ist Trainer Jupp Heynckes (72). Bayern-Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt sei sogar noch ein bisschen älter, freut sich Seehofer. "Aber der läuft am Spielfeldrand schneller als mancher Flügelflitzer.

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