Horror Koma-Saufen: Immer mehr Jugendliche betroffen
Mit Gesprächen auf Augenhöhe raus aus der Alkohol-Falle: Das Macher des Projekts „HaLT“ ziehen eine erste Bilanz.
NÜRNBERG Komasaufen und geplanter Absturz – die Zahlen, die sich hinter diesen Begriffen verbergen, alarmieren: 2004 wurden 128 Jugendliche ins Nordklinikum mit der Diagnose Alkoholvergiftung eingeliefert. Drei Jahre später waren es schon 212. Dazu kommen die Kids aus der Cnopf’schen Kinderklinik, 2008 wachten hier knapp 60 Kids mit Brummschädel und in Windeln gewickelt aus dem Suff auf. Das Projekt „HaLT – Hart am Limit“ versucht seit November 2008 den Trend zum Komasaufen zu stoppen. Jetzt gibt es erste Ergebnisse.
Die Kliniken, das Jugendamt und die Stadtmission stehen hinter dem Projekt. Sobald das Rausch-Kind aufgewacht ist, sitzt ein HaLT-Mitarbeiter am Klinikbett. Die Patienten werden direkt mit ihrer unangenehmen Situation konfrontiert. 35 solcher „Brückengespräche“ hat es in den vier Monaten gegeben, mit 17 Mädchen und 18 Jungs um die 16 Jahre. Leiterin Heidrun Kunze: „Die suchtgefährdeten Problemfälle sind selten, obwohl die Hälfte angab, sich geplant betrunken zu haben.“ Vielmehr kannten die Kids ihre Grenze nicht mehr. Den erhobenen Zeigefinger gibt es nicht: „Wir sprechen das Problem an, erörtern mit den Jugendlichen, wie es dazu kam.“ Die Gründe: Gruppenzwang, pubertäre Schwierigkeiten, Druck in der Schule. Nächster Schritt: gleich danach ein Gespräch mit den Eltern, zwölf beteiligten sich. Kunze: „Wir sind allerdings nur stundenweise in den Kliniken, viele Eltern erreichten wir einfach nicht.“ Dritter Schritt: Risiko-Check – das Trinkverhalten wird nochmals beleuchtet. Letzter Schritt: ein Abschlussgespräch mit anschließendem Gruppen-Spaß, beispielsweise in einem Klettergarten. Von den 35 angesprochenen Jugendlichen haben da immerhin zwölf Kids mitgemacht.
„Ich werde oft gefragt, ob HaLT wirkt – jawohl, das tut es, weil in der Krisensituation jemand da ist, der auf Augenhöhe mit den Kids redet, anders als ein Arzt oder die Eltern“, so Kunze.
Die Ärzte bleiben aber erste Kontaktpartner, wenn sie sich um die vergifteten Körper kümmern. Im Nordklinikum wurden Promille-Werte bis zu 2,7 gemessen. Die Cnopf’sche ist davon abgekommen, den Suff-Grad zu beziffern. Arzt Werner Hinrichs: „Es ist nicht auszuschließen, dass der Wert als Trophäe angesehen wird und als Herausforderung betrachtet wird, das nächste Mal noch mehr zu trinken.“ sw
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