Holokaust oder Heimatvertreibung: Der Streit ums richtige Gedenken
MÜNCHEN - Parallele Erinnerung an KZ-Häftlinge und Heimatvertriebene erntet Proteststurm. Keine gemeinsame Gedenkstätte in Kaufering.
Kauferings Bürgermeister Klaus Bühler freute sich, dass seine Gemeinde – bundesweit einmalig – mit zwei Stelen am Bahnhof des ehemaligen Außenlagers des KZ Dachau gemeinsam an KZ-Häftlinge und Heimatvertriebene erinnern wollte. Doch die Freude verflog schnell. Statt Zustimmung erntete er Entsetzen.
Vom Vorsitzenden der Vereinigung der Kauferinger Holocaust-Überlebenden Uri Chanoch, zum Beispiel: „Der Bürgermeister hat mich vor einer Woche angerufen und mir von dem Gemeinderatsbeschluss erzählt. Ich hab’ gesagt: ,Um Gottes Willen!’. Das Leid der Heimatvertriebenen ist nicht vergleichbar mit dem Leid der KZ-Häftlinge.“ Friedrich Schreiber, der Ex-Israel-Korrespondent der ARD, reagierte ähnlich. Er kennt die Kauferinger Verhältnisse aus eigener Gedenkarbeit: „Die Fahrt in den Tod darf man nicht mit der Fahrt der Sudetendeutschen nach Kaufering vergleichen.“ Er habe abgeraten.
An die Heimatvertriebenen von Kaufering soll an anderer Stelle gedacht werden
Der Bürgermeister machte sofort einen Rückzieher: „In Gesprächen mit Freunden, zu denen auch Überlebende dieser schlimmen KZ-Lager zählen, hat sich gezeigt, dass es persönliche Befindlichkeiten und noch nicht verheilte Wunden gibt, die wir in ihrem Ausmaß unterschätzt haben. Da wir aber niemanden verletzen wollen, haben wir unsere Planungen für eine Gedenkstelle für die Heimatvertriebenen am Gedenkort „Rampe/Waggon“ eingestellt.“
Gabriele Hammermann von der Dachauer Gedenkstätte ist froh über diese Entscheidung: „Aber was in Kaufering passiert ist, zeigt die Tendenz, Gedenken zu vermischen.“ Der Massenmord an den Juden aber sei einmalig.
Friedrich Schreibers hätte da noch einen Vorschlag zur Güte: „Man kann doch an die großartige Aufbauarbeit der Heimatvertriebenen in Kaufering erinnern.“ Nur an anderer Stelle, bitte. John Schneider
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