Hitler-Bilder an geheimnisvollen Unbekannten versteigert!
Zwischen Rosenthal-Tellern und Ölgemälden: „Gehöft“ und „Hofanlage am Fluss“ für insgesamt 32.000 Euro unterm Hammer.
NÜRNBERG Das große Raunen im Keller des Auktionshauses Weidler am Albrecht-Dürer-Platz war noch nicht verstummt, da war schon wieder alles vorbei. Für insgesamt 32.000 Euro wechselten zwei Aquarelle den Besitzer – nicht etwa von einem großen Künstler gemalt, sondern von Nazi-Führer Adolf Hitler, der sich vor seiner politischen Karriere als Landschaftsmaler verdingt hatte. Es ging schnell, weil keiner der etwa 150 Gäste mitbot. Ein anonymer Kunde hatte schon im Vorfeld die Mindestgebote von jeweils 3500 Euro vervier- bzw. verfünffacht. Am Telefon bekam er den Zuschlag.
Die Aufregung war groß im Vorfeld: Darf man das? Mit Werken eines der größten Verbrechers der Menschheitsgeschichte Geschäfte machen? Diese Bilder mal eben versteigern zwischen einem Rosenthal-Porzellanteller „Aladin“ und und einem Ölgemälde von Ivanievic „Moorlandschaft mit Birken“? Und überhaupt: Ist „der Führer“ tatsächlich der Urheber? Oder saß Auktionator Herbert Weidler einem Betrüger auf? Einem wie Konrad Kujau, dem weltberühmten Fälscher der Hitler-Tagebücher...
Auktionator Weidler kritisierte erneut die Rathausparteien
Die Zweifel an der Echheit der Bilder versuchte Weidler ebenso zu zerstreuen wie moralische Bedenken. Bevor die Bilder gegen 15 Uhr unterm Hammer landeten, verstieg sich der Auktionator gar zur Aussage: „Wir vermarkten nicht braunes Kulturgut im großen Stil. Sondern im Kleinen jetzt die Katalognummern 6500 und 6501.“
Gleichzeitig griff er scharf die Stadt an, nachdem Vertreter fast aller Rathaus-Fraktionen die Versteigerung heftig kritisiert hatten: „Ohne Bedenken gehen jährlich Millionen Euro in den Stadtsäckel durch Vermietung der Gebäude des ehemaligen Reichsparteitagsgelände, des Kolosseums, des Doku-Zentrums und der Großen Straße am Dutzendteich“, motzte Weidler über Parkplatz-Politik und Geschichts-Aufarbeitung, von der die Stadt und damit auch der Bürger profitieren. Für ihn stehen diese Steuereinnahmen dennoch auf einer Stufe mit dem Geschäft, das er bzw. sein Kunde mit den Hitler-Aquarellen macht. Weidlers seltsame Logik: „Die Gebäude wurden durch dieselbe Person geschaffen wie die zwei Bilder.“
„Diese Summen sind die nie und nimmer wert“
Immerhin: Der Auktionator verspricht, die Provision von „Gehöft“ und „Hofanlage am Fluss“ (gut 20 Prozent der Versteigerungssumme) einer karitativen Organisation zu spenden. Was bei Auktionserlösen von 18.000 und 14.000 Euro immerhin rund 6500 Euro sind. Der Beigeschmack der Nazi-Versteigerung waberte trotzdem durch den Weidler’schen Keller: Immer wieder wollten Besucher im Flüsterton von den Weidler-Mitarbeitern wissen: „Wann ist es denn soweit?“ Ein älterer Herr konnte die ganze Aufregung so gar nicht verstehen: „Das sind doch Bilder wie alle anderen auch.“ Fotografen und Kamera-Teams sahen das anders. Sie warteten den großen Moment ab – darunter sogar eins des französischen Senders „France 2“.
„Also so schlecht sind doch die Bilder gar nicht“, konstatierte ein Ehepaar mittleren Alrers verschwörerisch, damit es auch ja keiner hört. Ein sachverständiger Kunde, der anonym bleiben will, lieferte hingegen die wohl richtige Einschätzung der naturalistischen Kitsch-Bilder des verhinderten Kunst-Studenten, wie sie zu Tausenden auf Dachböden verstauben: „Diese Summen sind die nie und nimmer wert.“ Das dürfte dem Telefonkunden leidlich egal sein: Ist er ein Sammler? Ein Alt- oder Neonazi? Ein historisch Interessierter oder ein Geschichtsvergessener? Ein Deutscher, ein Engländer, ein arabischer Scheich? Man wird es wohl nie erfahren.
Steffen Windschall
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