"Hindenburglinde" in Ramsau: Namenszoff um Nationalerbe

Traunstein - "Hindenburglinde": Darf ein Baum, der nun "Nationalerbe" ist, nach einem Wegbereiter Hitlers benannt sein? Dem Kreisheimatpfleger des Berchtesgadener Landes, Johannes Schöbinger, gibt die Sache zu denken. Keine Gedanken hat sich hingegen der Grundstückseigentümer gemacht, bestätigt das Staatliche Bauamt Traunstein.
Warum gibt es in manchen bayerischen Orten wie in Berchtesgaden noch immer Straßen, die nach dem ehemaligen Reichspräsidenten der Weimarer Republik, Paul von Hindenburg, benannt sind? Von einigen Straßenschildern verschwand der Name bereits. Garmisch-Partenkirchen hat die Umbenennung wegen Hindenburgs Funktion als Wegbereiter Adolf Hitlers bereits im Jahr 2012 beschlossen.
Andere bayerische und westdeutsche Städte folgten, weiß Schöbinger. In Ostdeutschland, der ehemaligen DDR, wurde Hindenburgs Name "schon unmittelbar nach 1945 aus den Straßenbezeichnungen getilgt". In den Städten und Orten, in denen sich keine Mehrheit für eine Änderung ergab, fügte man dem Straßenschild eine ergänzende Erklärung hinzu, etwa in Coburg. Auch München habe sich davon getrennt, so Schöbinger.
Früher hieß der heuer ausgezeichnete Baum-Koloss "Große Linde"
Die "Hindenburglinde", die erst kürzlich vom Kuratorium "Nationalerbe-Bäume" als einer der bedeutendsten Bäume Deutschlands ausgezeichnet wurde, trug in früheren Zeiten noch den Namen "Große Linde". Elf Meter Stammumfang, mehr als 30 Meter hoch, 750 Jahre soll der Gigant alt sein, sagen die Experten.
Am 26. März 1933 wurde die "Große Linde" zur "Hindenburglinde". Der Ramsauer Gemeinderat hatte beschlossen, Reichspräsident Paul von Hindenburg und Adolf Hitler zu Ehrenbürgern zu ernennen. Hitler war kurz zuvor von Hindenburg zum Reichskanzler berufen worden.
Die Baumbenennung zu Ehren Hindenburgs gab es sozusagen als Dank obendrein. "Vielleicht wollten sich die Gemeinden damals einfach in vorauseilender NS-Anbiederung mit einem weiteren 'großen' Namen schmücken", vermutet Kreisheimatpfleger Schöbinger. Und fragt, durchaus provokativ: "Brauchen wir den heute noch?"
Rehm: "Wir haben uns nie Gedanken über den Namen des Baumes gemacht"
Wer für die Benennung von altehrwürdigen Bäumen zuständig ist, ist nicht so leicht zu klären. Beim Landratsamt Berchtesgadener Land, das als Untere Naturschutzbehörde die Pflege des Baums übernommen hat, erkennt man keine Zuständigkeit.
Auch beim Grundstückseigentümer, dem Staatlichen Bauamt Traunstein, das als grundstücksverwaltende Stelle die Linde der Bundesrepublik Deutschland zuordnet, heißt es: "Wir haben uns nie Gedanken über den Namen des Baumes gemacht", so Behördenleiter Christian Rehm. "Die Linde wird einfach so genannt. Ich denke, das ist historisch gewachsen."

Bisherige Vorstöße Hindenburg aus Berchtesgadener Straßenbezeichnungen zu tilgen, verliefen im Sand, weiß der Kreisheimatpfleger. Wer in den Ort von Bischofswiesen kommend einfährt, passiert die "Von-Hindenburg-Allee".
Bezüglich einer Namensänderung der "Hindenburglinde" sei kürzlich vor Ort diskutiert worden, "ob nicht der Name wieder auf den ursprünglichen, 'Große Linde', umbenannt werden sollte", sagt Schöbinger.
Doch die beratenden Stellen, darunter Vertreter aus Gemeinde und Baumexperten, hätten sich "bewusst dagegen entschieden". Denn die Historie soll "nicht nachträglich wieder verändert werden".