Hilflose Oma (81) in Badewanne vergessen

Pflege-Skandal in Erlanger Heim: Die Betreuer ließen die Frau einfach liegen – sie wollte sich selbst befreien und stürzte schwer. Jetzt ermittelt der Staatsanwalt.
ERLANGEN Für Olga Winkler (81) war es der blanke Horror. Für die Pflegekräfte im Erlanger Sophienheim dagegen schreckliche Normalität: Die gnadenlos überlasteten Betreuer mussten sich um einen Notfall kümmern, ließen Frau Winkler in der Badewanne sitzen, in die man sie eine halbe Stunde zuvor gesetzt hatte.
Von dem Notfall nebenan wusste die alte Dame nichts. Nachdem weitere 20 Minuten lang niemand auf ihre Rufe reagierte und sie den Alarmknopf an der Wand nicht erreichen konnte, geriet sie in Panik. Sie versuchte, sich selbst mit dem Badwannen-Lift aus dem Wasser zu hieven. Dabei stürzte sie und verletzte sich am Arm und am Brustkorb.
Das Taxi zum Arzt musste sie aus eigener Tasche zahlen
So weit, so schlimm: Was aber im Nachhinein passierte, ist für Frau Winklers Sohn Robert (42), der selbst als Krankenpfleger arbeitet, der eigentliche Skandal: „Meine Mutter ist geistig total fit“, berichtet er. Bloß: Olga Winkler leidet seit Jahren an schwerer Osteoporose, einer Knochenkrankheit. Sie hatte sich vor Jahren einen gefährlichen Bruch an der Wirbelsäule zugezogen. „Und das wussten die Pflegekräfte im Heim natürlich“, so Winkler. „Trotzdem hat nach dem Sturz keiner einen Arzt verständigt.“ Die klaffende Wunde am Arm wurde verbunden. „Und erst Tage später, als meine Mutter die Schmerzen in den Rippen nicht mehr aushielt, setzte man sie in ein Taxi, das sie zum Arzt brachte.“ Der diagnostizierte eine schwere Prellung. Die Fahrt, so Winkler empört, musste sie aus eigener Tasche zahlen.
Für Winkler der Gipfel: „Erst einen Monat später wurde ich zu einem Gespräch geladen.“ Heimleitung, Heimaufsicht und eine Pflegerin hätten dabei „den Vorfall heruntergespielt“. Und seiner Mutter unterstellt, sie könne „Wahrheit und Lüge nicht unterscheiden“. Die Heimleiterin habe sogar behauptet, Frau Winkler sei alkoholisiert in der Badewanne gelegen.
„Unter schlechten Bedingungen arbeiten wir sehr gut“
Im Sophienheim sieht man die Angelegenheit freilich anders: Die Heimleitung will sich nicht zu dem Unfall äußern, dafür Achim Falk, geschäftsführender Vorstand des diakonischen Werks Erlangen, der Träger des Heims: Er bedauert, dass Frau Winkler so lange in der Wanne liegen musste, räumt ein, dass die Mitarbeiter unter immer größerer Spannung stehen. Aber: „Unter schlechten Bedingungen arbeiten wir sehr gut.“ Die Alkohol-Vorwürfe hört er zum ersten Mal. Dass kein Arzt hinzugezogen wurde, liege schlichtweg daran, dass „Frau Winkler zunächst nicht über Schmerzen geklagt hat“.
Wie sich der Vorfall genau zugetragen hat, klärt jetzt der Staatsanwalt. Robert Winkler hat Anzeige erstattet. Seiner Mutter geht es mittlerweile wieder gut. Wohl fühlt sie sich im Sophienheim aber nicht mehr.
Steffen Windschall