"Hilfe, ich werde ausgebürgert!"

Helgard O. kam als Flüchtling nach Franken, hat einen deutschen Pass – jetzt bekam sie eine Wahl-Aufforderung vom OB
von  Abendzeitung
Zeigt den Brief vom OB: Helgard O.
Zeigt den Brief vom OB: Helgard O. © bayernpress

Helgard O. kam als Flüchtling nach Franken, hat einen deutschen Pass – jetzt bekam sie eine Wahl-Aufforderung vom OB

NÜRNBERG Das fängt ja gut an: Die Wahl zum Integrationsrat ist erst am 21. März (siehe unten). Doch schon jetzt klingeln die Telefone im Bürgermeisteramt deswegen Sturm. Zuhauf beschweren sich Nürnberger, weil sie fälschlicherweise ein Schreiben im Briefkasten haben. „Wahlberechtigt sind Ausländer, Aussiedler und Eingebürgerte...“ – diese Zeilen sind Grund der Empörung.

"Totale Frechheit" - "Das ist Irrsinn"

„Totale Frechheit“, schimpft Helgard O. (68) und wedelt wütend mit dem Brief in ihrer Hand. „Ich werde als Ausländerin bezeichnet, dabei lebe ich seit 65 Jahren hier. Das ist Irrsinn, ich werde ausgebürgert!“ Dabei ist sie 1945 als Vertriebene nach Franken gekommen. Sie ist nicht die einzige, die sich aufregt.

Insgesamt 150.000 personalisierte Wahleinladungen mit der Unterschrift von OB Ulrich Maly sind rausgegangen. 5.000 davon sind kritisch, erklärt Christine Meyer vom Bürgermeisteramt: „Im Gegensatz zu den Daten für Ausländer gibt es keine verlässlichen Datensätze für Aussiedler.“ Deshalb hat die Behörde Nürnberger angeschrieben, deren Geburtsort im Ausland liegt.

Lieber zu viel als zu wenig

„Wir wollten keinen Migranten vergessen und haben daher lieber zu viel als zu wenig angeschrieben“, erläutert Meyer. Doch diese Methode hat eben ihre Tücken: Auch in Rumänien gibt es zum Beispiel einen Ort „Neustadt“. Sogar Berlin und Stuttgart haben einen Namenszwilling in Osteuropa. Doch die wurden vorsichtshalber ausgespart.

„Wir haben abgewogen und uns für diese Lösung entschieden und bitten Betroffene um Verständnis“, erklärt Meyer. Im Wahlbrief ist daher gleich eine Entschuldigung enthalten. Helgard O. ist trotzdem empört: „Die Stadt soll sich lieber um sinnvolle Sachen kümmern.“

scs

Gremium für Ausländer und Aussiedler

AZ Info: 86 Kandidaten sind für die Wahl zum „Nürnberger Rat für Integration und Zuwanderung“ am 21. März aufgestellt. Die Zusammensetzung der 30 Mandate spiegelt den Ausländer- und Aussiedleranteil in der Stadt wider. Zum Stichtag 31.12.2008 lebten etwa 95.000 Ausländer (20 Sitze), 38.000 Aussiedler (8 Sitze) und 12.000 Eingebürgerte (2 Sitze) in Nürnberg.

Aus zwei mach eins

Der Integrationsrat soll künftig den Ausländer- und Aussiedlerrat ersetzen und die Interessen der Zuwanderer vertreten. Dahinter steckt die Idee: Integration soll nicht wie bisher eine Frage des Passes, sondern der Lebenslage sein. Unabhängig von der Nationalität hätten Migranten - egal ob Aussiedler, Ausländer oder Eingebürgerte - ähnliche Probleme wie etwa Sprachbarrieren, so die Begründung der Stadt. Folgende Themen stehen daher im Fokus des Integrationsrates: Sprache, Bildung, Arbeitsmarkt sowie Ausbildung.

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