Hier wärmen sich Nürnbergs Ärmste
Rekordkälte in der Metropolregion: Doch nicht alle Obdachlosen schlafen in Notunterkünften.
NÜRNBERG Arktische Kälte herrscht in ganz Europa, 20 Menschen sind bereits erfroren. In Nürnberg sank das Thermometer in der Nacht zum Sonntag auf ein Rekordtief von 28 Grad – wie schützen sich die Ärmsten vor dem lebensgefährlichen Frost?
In der Wärmestube, Köhnstraße 3, standen die Leute gestern Schlange für ein Mittagessen. „Sonntags ist der Andrang am stärksten“, weiß Bernhard Gradner (40), Leiter der Tageseinrichtung. Es gab Pfannkuchensuppe, Putenfleisch mit Nudeln und Karotten. Kostenlos, wenn man eine Berechtigungskarte hat, sonst zwei Euro.
Auch Tomas T. stand an. Er ist einer der rund 50 Obdachlosen in Nürnberg, die keine Stütze bekommen, weil sie keine feste Bleibe haben. Die meisten Gäste hier haben zwar eine Unterkunft, aber kaum Geld für Essen oder Strom, so Gradner. „Deshalb essen sie hier, dürfen kostenlos duschen oder Wäsche waschen. Bei der Kälte bleiben viele auch länger sitzen.“ Um 17 Uhr wird zugemacht.
Fünf Kleiderschichten schützen vor der Kälte
Tomas T. (32) ist seit zwölf Jahren auf der Straße, er lebt vom Betteln und trägt fünf Kleiderschichten übereinander: Unterwäsche, zwei Pullis, zwei Jacken. Die legt er auch nicht ab, wenn er nachts in seinen Schlafsack kriecht – in einer leeren Fabrik, Adresse geheim. Warum geht er nicht in eine der Notunterkünfte? „Da darf man immer nur ein paar Nächte bleiben“, sagt er. „Und keinen Alkohol trinken.“
19 Betten für Männer, fünf für Frauen hat beispielsweise die städtische Unterkunft in der Großweidenmühlstraße. Doch nicht alle sind derzeit nachts belegt.
Tomas T. träumt von Karpfen und Kartoffelsalat
Lieber frei sein und frieren? Weißwein im Karton, ein paar Biere oder Schnaps braucht Tomas zum Einschlafen. Er kauft es von seinen „Einnahmen“, rund 30 Euro am Tag.
Karpfen mit Kartoffelsalat hätte er gerne an Heilig Abend, wie früher auf dem Bauernhof der Eltern im Osten. Sie sind längst tot. Gänsebrust mit Klößen gibt es als Festessen in der Wärmestube. Vielleicht ist Tomas da längst mit einem Kumpel im warmen Spanien, per Zug und Auto-Stopp. Mit neuen, adretten Sachen aus der Kleiderkammer der Wärmestube – kein Problem. Aber Zottelhaare und Bart will er nicht stutzen lassen: „Das bringt doch das Geld beim Betteln“, feixt sein Kumpel. cis