Hier sind die maßlosen Ex-Bosse vor Gericht!
Ex Siemens- Manager Feldmayer und der korrupte Mitarbeiter- Vertreter Schelsky haben die betriebliche Mitbestimmung unterwandert. Dafür droht Ihnen keine Strafe – dank einer Gesetzeslücke.
NÜRNBERG Sie könnten nicht unterschiedlicher sein, der ehemalige mächtige Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer (51) und der Siemens-Günstling Wilhelm Schelsky (59). Feldmayer erscheint gestern zum Prozess im Nürnberger Sitzungssaal 600 im guten Tuch – eine akkurate Erscheinung vom Messerhaarschnitt bis zu den gewienerten schwarzen Schuhen. Schelsky hat seine barocke Figur in Jeans und Sakko gesteckt. Während Feldmayer ihm kerzengerade gegenüber sitzt, hängt Schelsky lässig in seinem Stuhl, schaut lächelnd in den Zuhörerraum.
Das ungleiche Paar, das jetzt in einem 21-Tage-Prozess wegen Untreue und Steuerhinterziehung vor Gericht steht, war einst ein maßloses Gespann, das gut funktionierte: Über 30 Millionen Euro kassierte Schelsky in fünf Jahren von Feldmayer – dafür, dass er seine „unabhängige Arbeitnehmervertretung“ AUB aufbaute, als Gegengewicht zur Arbeitnehmer-freundlichen Gewerkschaft IG Metall. Als Gewerkschaft von Siemens Gnaden. Damit verrieten die beiden die vielen Arbeiter, die glaubten, ihre Interessen würden ungefiltert gegenüber Siemens vertreten.
„Dass das politisch heikel war, war uns bewusst.“
Zum Prozessauftakt gibt Feldmayer zu: „Siemens hat die Organisation der AUB finanziell unterstützt.“ Im Top-Management des Elektrokonzerns sei bekannt gewesen, dass „die AUB ein Siemens-Kind“ ist. „Dass das politisch heikel war, war uns bewusst.“
Schelsky schweigt, will sich erst nächste Woche äußern. In den 70er Jahren hatte er die AUB mit leitenden Siemensianern gegründet.
Der Vorwurf von AUB: Die IG Metall sei von Kommunisten gesteuert, die AUB wollte firmenfreundlicher sein. Schelsky, der 1973 als Lehrling ins Erlanger Stammhaus gekommen war, ist schnell mit von der Partie, steigt zum Betriebsratschef in Erlangen auf. 1990 macht er sich selbstständig. Sein Gehalt kassiert er weiter. Um die AUB aufzubauen.
Der Konzern schickt Schelsky Personal, das weiter von Siemens bezahlt wird. Im Jahr 2001 kommt Feldmayer als Strategie-Chef ins Spiel. Er schließt mit Schelsky einen Beratervertrag ab, über den von 2001 bis 2006 über 30 Millionen Euro fließen. Offiziell soll Schelsky für das Geld Mitarbeiter schulen. Doch beiden ist klar, dass diese Leistungen nicht erbracht werden müssen. Das Ganze wird von der Finanzabteilung abgesegnet.
Feldmayer lässt sich die Rechnungen nicht ins Büro, sondern nach Hause kommen, um die Sache zu verschleiern, „denn die Sache war politisch heikel“. Dafür übernimmt er jetzt die Verantwortung.
„Die echte Bestechung von Gewerkschaften ist straflos in Deutschland“
Aber direkte Beeinflussung von Betriebsräten sei nie Absicht von Siemens gewesen, behauptete Feldmayer gestern. Geeignete Kandidaten auszusuchen und auszubilden sie das Ziel gewesen. Denn die AUB habe einiges Positives bewirkt, wie die Arbeitszeit–Flexibilisierung. Tatsächlich stellte die AUB zeitweise in manchen Firmenbereichen in Erlangen den Betriebsrat. „Es gab aber auch Standorte, wo die mehr ideologisch und funktionärsgetriebene IG-Metall dominierte“, so der Ex-Vorstand. Erregtes Gemurmel unter den Zuhörern. „Wenn Sie das hier nervlich nicht aushalten, gehen Sie raus“, mahnte Richter Richard Caspar.
Feldmayers Geschäftsfreund Schelsky kassierte Millionen von Siemens und hob vom Boden ab. Er unterstützte Sportvereine, wie die FCN-Handballerinnen, genehmigte sich teure Möbel – und setzte alles als Betriebskosten ab.
Ende 2006 lässt Feldmayer die Zahlungen stoppen, kurz darauf stoßen Finanzbeamte bei einer Siemens-Betriebsprüfung auf die ominösen Zahlungen an Schelsky.
Schelsky sitzt seit Februar 2007 in U-Haft, Feldmayer kommt nach einer Woche gegen Kaution frei. Heute arbeitet er als Berater, sitzt auch im Aufsichtsrat von Infineon.
„Die echte Bestechung von Gewerkschaften ist straflos in Deutschland“, kritisiert der Arbeitsrechts-Professor Volker Rieble. Es gebe kein Gesetz, das Zahlungen von Arbeitgebern an Arbeitnehmer-Vertreter untersagt. Es komme nur darauf an, dass die Konzerne Bestechungs-Zahlungen korrekt verbuchen.
Feldmayer schreitet gestern am Schluss aus dem Saal hinaus ins Scheinwerferlicht der Fotografenmeute. Schelsky busselt drinnen seine hübsche Tochter ab, die für ihn 700 Kilometer hergefahren ist.
V. ter Haseborg/C. Schamel
- Themen:
- Gewerkschaften
- Siemens AG