Hier machen die Symphoniker Film-Musik wie in Hollywood

Der Sound von „Revolution 613“: Für den Animationsfilm des Nürnberger Regisseurs Berter Orpak spielte das Orchester im Knoblauchsland den Soundtrack aus der Feder von Komponist Thommy Dietrich ein
NÜRNBERG Ein Hauch von Hollywood im Knoblauchsland: Nebenan wachsen die Krautköpfe, auf der anderen Seite brausen Autos durchs triste Gewerbegebiet Schmalau – und in Steinach arbeiteten jetzt 60 Leute an einem internationalen Prestige-Projekt made in Franken.
Ein unscheinbarer Flachbau beherbergt die „Street Life“-Studios. Auf die Fähigkeiten von Toningenieur Roland Häring verlassen sich dort Stars wie Altrocker Roger Chapman, Schlager-Star Peter Wackel – und die Nürnberger Symphoniker. Sie spielten den Soundtrack von „Revolution 613“ ein – einem Animations-Kurzfilm, produziert von Absolventen der Nürnberger Ohm-Hochschule.
Regisseur und Komponist sind keine Unbekannten
Dass sich die Symphoniker – Meister des Film-Fachs, die 1993 den „Grammy“ für die Titelmelodie zur TV-Serie „Beauty and the Beast“ absahnten – nicht für x-beliebige Produktionen hergeben, versteht sich von selbst. Regisseur Berter Orpak (27) ist längst kein unbeschriebenes Blatt: Neben Freelancer-Arbeiten für Weltfirmen wie Bosch, T-Mobile, Siemens und BMW räumt der Animationskünstler regelmäßig Preise ab, zuletzt den 2. Preis beim International Fest of Cinema and Technology in Seattle 2007 für sein Werks „Cubic Love“.
Auch „Revolution 613“ hat das Zeug zum Blockbuster in der Kurzfilm-Szene. Die Story ist im Stil eines altgriechischen Dramas gestrickt. Die Animationen über ein von seinem fiesen Herrscher unterdrücktes Volk im Erdinneren sind noch nicht ganz fertig – aber vielversprechend. Und: Der Soundtrack stammt aus der Feder eines arrivierten Film-Komponisten. Thommy Dietrich, dank des vietnamesischen Films „Truyen Ben Ho“ in Asien ein Star, ist verantwortlich für brodelnde Bläsersätze, dramatische Streicher und aufregende Percussion-Sequenzen.
Dietrich hat sein Studio von Nürnberg-St. Johannis in die westmittelfränkische Diaspora verlegt: Bei Gunzenhausen wohnt und arbeitet er jetzt in einem alten Bauernhof. Die ideale Umgebung, um ein apokalyptisches Endzeit-Epos klanggewaltig zu vertonen – Nachbarn? Fehlanzeige! Was Dietrich im heimischen Studio ersann, übertrug Orchestrator David Zell – ebenfalls aus Nürnberg, jetzt in Berlin – in Partituren. Im Studio dirigierte der Musikwissenschaftler die Symphoniker, während Dietrich mit Sound-Meister Häring nebenan die Aufnahme überwachte.
Die Kosten für den Tag im Studio: rund 80.000 Euro
Warum für den Film nicht gleich die Spuren aus Dietrichs Rechner verwendet werden? „Weil die analoge Wärme fehlen würde“, sagt Dietrich. Symphoniker-Intendant Lucius Hemmer ergänzt: „Die natürlichen menschlichen Fehler sind verantwortlich für die Echtheit der Klänge“. Erst die Sekundenbruchteile, mit denen das Horn oder die Violine verzögert einsetzt, machen die Musik authentisch.
Angesichts des schmalen 1000-Euro-Budgets bleibt die Frage: Wer finanziert den Aufwand? Allein der Tag im Streetlife Studio hätte die Filmemacher das 80-Fache gekostet. Von den Produktionskosten und Arbeitsstunden von Komponist und Orchestrator ganz abgesehen. Die Lösung ist ganz pragmatischer fränkischer Lokalpatriotismus: Alle Beteiligten – Musiker und Tontechniker – arbeiteten, ohne einen Cent in Rechnung zu stellen.
Steffen Windschall