Herrmann: Ein Terrorcamp-Absolvent in Bayern

MÜNCHEN - Innenminister Joachim Herrmann zieht Bilanz: Laut Verfassungsschutz hält sich nur ein muslimischer Extremist mit paramilitärischer Ausbildung im Freistaat auf - Gewalttaten von Rechts- und Linksextremen bleiben auf gewohntem Niveau.
Bundesweit gehen die Sicherheitsbehörden von 65 Islamisten aus, die eine Ausbildung in einem Terrorcamp in Afghanistan, Pakistan oder anderswo absolviert haben. Hinweise auf konkret geplante Anschläge gebe es derzeit nicht, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Dienstag in München.
Auch bei rechts- und linksextremer Gewalt gab es im ersten Halbjahr keine wesentlichen Zuwächse, wie aus dem Verfassungsschutzbericht für das erste Halbjahr 2009 hervorgeht. Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten nahm im Rahmen der üblichen Schwankungen leicht ab, die der linken Gewalttaten leicht zu.
In der Islamisten-Szene geht Herrmann aber von einer verschärften abstrakten Gefahr aus. Grund ist, dass in Deutschland aufgewachsene Islamisten seit Anfang 2009 mehrere Drohvideos gegen deutsche Ziele verbreiten. „Die Videobotschaften machen deutlich, dass Deutschland wegen seiner militärischen Beteiligung in Afghanistan im Zielspektrum ist“, sagte Herrmann. „Deutschland soll seine Truppen aus Afghanistan abziehen.“
Rechtsextreme wenden sich von der NPD ab
Unklar ist, ob Ziele in Deutschland gemeint sind oder Deutsche im Ausland. Was die Zahl der Terrorcamp-Absolventen angeht, ist Bayern laut Herrmann aber eher „unterdurchschnittlich betroffen“. Dennoch sei die Gefahr real. „Es macht keinen Sinn, die Augen zu verschließen“, sagte Herrmann mit Blick auf den FDP-Rechtspolitiker Max Stadler, der die vielen Terrorwarnungen kritisiert.
Rechtsextremisten verübten von Januar bis Juni 25 Gewalttaten in Bayern, verglichen mit 68 im gesamten Jahr 2008 und 82 in 2007. Die Verfassungsschützer beobachten, dass sich viele radikale Rechtsextremisten inzwischen von der NPD abwenden und unter dem Etikett „Freies Netz Süd“ neu organisieren. Die Skinhead-Szene verliert offenbar an Zulauf, während neuerdings auch „Autonome Nationalisten“ nach dem Vorbild der linken autonomen Szene auftreten. Zu Beginn des nächsten Schuljahres will die Staatsregierung ein neues Internet-Portal gegen Rechtsextremismus freischalten.
Linksextremisten werden 60 Gewalttaten im ersten Halbjahr zugerechnet – meist Angriffe auf Neonazis oder Polizisten. Im vergangenen Jahr zählten die Behörden insgesamt 109 linke Gewalttaten, 2007 nur 76. Weiter im Visier des Verfassungsschutzes bleibt auch die Partei die Linke, der Herrmann einen klaren Linksruck vorwarf.
dpa