Hauptsache drüber reden
Erlangen - Intellektuelle Aufregung geht anders – und das ist wohl so gewollt: (Selbst-)zufrieden feiern 70 Schriftsteller und trotz Kühle und Regen rund 11000 Besucher das 30. Erlanger Poetenfest
Wort gegen Wetter – ein unbeliebter Wettkampf beim 30. Erlanger Poetenfest, das laut Veranstalter rund 11000 Menschen am Wochenende in den feucht-kühlen Schlossgarten zog. Dort baute man am Samstag noch sonnenbeschienen wohlgemut auf, und verließ sich dann ganz auf die Funktionsjacken in seniorentauglichen Farbkombinationen. Freilich zu spotten: ein Fest der grauen Häupter vor sich zu haben, geht weit an der Realität der jungen Eltern beim „Jungen Podium“ vorbei, oder den Vorlese-Tischen im hinteren Bereich der Wiese. Und damit die Bücher-Front in Zukunft auf gar keinen Fall bröckelt, lernt der geneigte Intellektuellen–Nachwuchs hand-werklich im bunten Zelt den Wert des gedruckten Wortes – Kindle ist Bäh!
Übrigens gab es zur Digitalisierung auch eine Diskussion, – die, man hat es irgendwie erahnt –, genauso fruchtlos war, wie die zum Thema „Franken und die Welt“. Zwar lernt man, dass heimische Dichter und Denker „Heimat“ durchaus positiv sehen (können und dürfen), beziehungsweise es eben der Ort ist, von dem man kommt – aber ein vom Moderator unterstelltes Problemwort ist die Heimat nicht. Da hat wohl jemand nachhaltig die Entwicklungen der letzten Jahre bis Jahrzehnte verschlafen. Und darüber, was man tun sollte, um die regionale Literatur-Szene zu fördern ist man sich auch nicht einig. Ein roter Faden oder eine echte Diskussion wäre da vielleicht ergebnisorientierter gewesen – anstatt konzeptlos dem „fränkischen“ in der Literatur nachzustochern.
Und auch das Wirtschaftswachstum wird am Sonntagmorgen vor mehr als 700 Zuschauern zerredet – und als permanent umtanztes „Goldenes Kalb“ erkannt. Freilich eine Erkenntnis ohne jede Konsequenz, wie die Podiumsteilnehmern selbst zugeben. Aber schön, dass man drüber geredet hat. Frischer ist die Lesung der Apenzellerin Dorothee Elmiger am frühen Samstagnachmittag, die zwar mit eher dünner Stimme aus ihrem im wahrsten Sinne des Wortes fantastischen Debüt „Einladung an die Waghalsigen“ vorträgt. Nebenan brummelte zuvor der Nürnberger Kulturpreisträger Ludwig Fels in der Diskussionsrunde seine Elegie „Ade Treuchtlingen“ und gibt seine niedergeschriebenen Gefühle, der hinter sich gelassenen Heimat gewidmet, wortgewaltig-knorrig wieder. Der einzige (erhoffte?) Vorab-Aufreger des Festivals bleibt auch bei Norbert Gstreins Lesung aus – es ist trotz 70 Schriftstellern alles brav, im bildungsbürgerlichen Städtchen Erlangen.mm
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