Hans Reisky: Für 30.000 Mark sollte mich einer umbringen

Hans Reisky hat in den 80ern Drogendealer in Bayern gejagt. Ein Buch hält nun seine Erinnerungen fest. Die AZ hat den Ex-Fahnder getroffen.
Rosemarie Vielreicher |
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In seinem Buch "Drogenhochburg Oberpfalz" schreibt Autor Rolf Peter Sloet über  das risikoreiche Leben des Ex-Drogenfahnders Hans Reisky.
rom In seinem Buch "Drogenhochburg Oberpfalz" schreibt Autor Rolf Peter Sloet über das risikoreiche Leben des Ex-Drogenfahnders Hans Reisky.

Hans Reisky hat in den 80ern Drogendealer in Bayern gejagt. Ein Buch hält nun seine Erinnerungen fest. Wie er die Kriminellen erwischt hat, warum ihm ein Bänderriss das Leben gerettet hat und wer 30.000 Mark für seinen Tod gezahlt hätte – die AZ hat den Ex-Fahnder getroffen

München - "Eins. Zwei. Drei. Vier" – Hans Reisky schaut zur Decke, zählt nach. "Ja, vier Mal." So oft wäre er schon fast gestorben.

Der Regensburger Drogenfahnder hat jahrelang Gauner gejagt, Rauschgift-Verstecke ausgehoben und Kriminelle ins Gefängnis gebracht. Seine Markenzeichen machten ihn in der Szene auffällig unauffällig: lange Haare, verwegener Ohrring, Cowboy-Stiefel.

Als er 1993 in Furth im Wald einem Heroin-Dealer hinterher sprintet, zertrümmert er sich bei einem tiefen Sturz den Kiefer und verletzt sich das Rückgrat. Die Endstation seines Kampfes gegen Drogen. Autor Rolf Peter Sloet hat nun Reiskys risikoreiches Leben in "Drogenhochburg Oberpfalz" aufgeschrieben – und die AZ hat sich darüber mit dem Ex-Drogenfahnder unterhalten.

AZ: Herr Reisky, haben Sie schon einmal Drogen ausprobiert?
Hans Reisky: Es glaubt mir zwar keiner, aber nein, noch nie. Ich habe früher sehr viel Sport getrieben. Dazu passen weder Drogen noch Rauchen.

Hektik und ein eingefallens Gesicht sind Anzeichen für Speed

Aber Sie erkennen sofort, wenn jemand welche genommen hat?
Wer zum Beispiel Speed nimmt, wird hektisch. Auch ein eingefallenes Gesicht kann ein Anzeichen dafür sein. Bei Heroin lässt man sich mit der Zeit extrem gehen. Bei einem Entzug riechen die Süchtigen stark nach Essig. Ich habe mir auch erzählen lassen, wie sich der Drogenrausch anfühlt. Bei Heroin etwa fließt eine Wärme von oben bis unten durch den Körper. Bei LSD dagegen soll man plötzlich komische Dinge sehen. Autos mit Gesichtern zum Beispiel.

Warum will man unbedingt Drogenfahnder werden?
Erstens weil man die Leute von den Rauschmitteln wegbringen will. Und zweitens ist es auch der Jagdtrieb: Jemanden zu inhaftieren, den vorher keiner auf dem Schirm hatte. Wenn man nicht wäre, würde er weitermachen. Das ist am Ende allein dein Verdienst.

Die Arbeit eines Drogenfahnders ist nicht wie bei James Bond

Im Buch über Ihr Leben steht: Wie bei James Bond dürfe man sich die Arbeit als Drogenfahnder nicht vorstellen. Dann werden aber Verfolgungsjagden, eine Explosion, ein Krimineller mit dem Spitznamen "Killermaschine" geschildert – das klingt dann doch wie bei 007. Wie ist es nun wirklich?
Die Explosion war ein Unglücksfall noch bei der uniformierten Polizei in Nürnberg. Da bin ich knapp mit dem Leben davon und mit dem Tod in Berührung gekommen. Im normalen Alltag eines Drogenfahnders steht man mit Informanten und V-Männern in Kontakt. Ein Beispiel: 1986 gab es einen Mann, der hat in Regensburg Verkehrszeichen angeschossen. Einer meiner Informanten hat mich angerufen. Er wisse, wer dahintersteckt.

Das hatte aber nichts mit Drogen zu tun, oder?
Er wusste auch, dass dieser Mann Rauschgift besitzt. Der Zugriff würde aber gefährlich sein, weil der Verdächtige sofort losschieße.

Hans Reisky: "Wir entschuldigen uns nicht, dass wir von der Polizei sind"

Was macht man mit so einem Hinweis?
Ich habe mir einen Durchsuchungsbeschluss geholt und bin mit meinem Kollegen – ohne SEK – zu dem Verdächtigen gefahren. Das war sehr gefährlich. Wir wussten, dass er zuhause war, weil er laut Musik hörte.

Wie geht man dann vor?
Unser Trick 17: Wir haben ihm einfach den Strom abgedreht. Aber erst nach einer Stunde haben wir gehört, dass er den Schlüssel im Schloss umdreht und gleich rauskommen wird. Adrenalin pur. Dann habe ich ihn überwältigt.

Einfach so?
Nun ja, ich habe den schwarzen Judo-Gürtel. Das war immer mein Vorteil. Ein Zugriff ist genau diese Sekunde der Überraschung – und zack! Bei sowas kann ich schlecht sagen: 'Entschuldigen Sie, wir sind von der Polizei.' Das haben zwar auch Kollegen gemacht. Aber ich habe dann immer zu ihnen gesagt: 'Nix da, wir entschuldigen uns nicht, dass wir von der Polizei sind.'

Drogenfahnder hatten damals noch keine schusssichere Weste

Hätten Sie nicht früher reingehen können, statt eine Stunde draußen abzuwarten?
Sonst würde ich jetzt nicht hier bei Ihnen sitzen. Der hatte eine Waffe auf dem Nachtkästchen.

Wie schaut es bei einem verdeckten Ermittler mit einer schusssicheren Weste aus?
Solche gab es damals noch nicht. Die Drogenfahnder hatten aber alle eine 38er Special.

Wo haben Sie die Waffe getragen, damit Sie nicht auffällt?
Ich habe sie immer in meinem Cowboystiefel versteckt – keiner kommt auf die Idee, dort nachzuschauen.

Reisky: "Den Job als Drogenfahnder kann man nicht ewig machen"

Sie hatten neben Cowboy-Stiefeln auch lange Haare und einen Ohrring. War das Ihr modischer Geschmack oder Tarnung?
Ich hatte schon immer gerne lange Haare. Vor der Rauschgift-Einheit hat das der Polizei nicht so recht gepasst. Dort aber haben sie dann zu mir gesagt: 'Du wärst einer für uns.'

Es war also eine gute Tarnung.
Ein Richter hat mich sogar einmal verwechselt. Er sagte zu mir, ich solle mich auf die Anklagebank setzen. Ich musste ihn dann aufklären: 'Entschuldigen Sie, ich bin das nicht. Ich bin der, der den Angeklagten hier reingebracht hat.'

Spricht sich nicht schnell rum, wenn ein Polizist so auffällig ausschaut?
Ich war immer dort eingesetzt, wo mich keiner kannte. Man kann diesen Job auch nicht ewig machen. Irgendwann spricht sich das rum.

In seinem Buch "Drogenhochburg Oberpfalz" schreibt Autor Rolf Peter Sloet über  das risikoreiche Leben des Ex-Drogenfahnders Hans Reisky.
In seinem Buch "Drogenhochburg Oberpfalz" schreibt Autor Rolf Peter Sloet über das risikoreiche Leben des Ex-Drogenfahnders Hans Reisky. © rom

"Dealer können dich wegen einer Nichtigkeit umbringen"

Drogensüchtige, gescheiterte Existenzen, gewaltbereite Personen – hat man als Drogenfahnder tagtäglich Angst um sein Leben?
Angst hatte ich eigentlich nie. Man hat es in dieser Branche immer mit gefährlichen Leuten zu tun, Dealer sind fast immer bewaffnet. Die können dich wegen einer Nichtigkeit umbringen. In Cham gab es zum Beispiel mal einen Rocker. Er wollte sich auf einem Feld, auf dem man sich selber Blumen schneiden kann, einen Strauß holen. Der Bauer war verärgert, weil ihm die Blumen oft nicht bezahlt wurden. Deswegen hat er sich auf die Lauer gelegt. Der Rocker schneidet also Blumen ab und wird vom Landwirt überraschend angesprochen, er solle gefälligst bezahlen.

Wie hat der darauf reagiert?
Der Rocker hat einfach auf den Landwirt gefeuert. Das große Glück: Die Waffe hatte eine Ladehemmung. In Haft hat er uns dann gestanden, dass er eine große Menge Heroin und knapp 500 Gramm Amphetamin bei Bad Abbach hoch oben auf einem Felsen vergraben hat. Zusammen mit ihm bin ich dann da oben rumgekraxelt und wir haben die Drogen tatsächlich gefunden. Ich habe ihm von Anfang an gesagt: 'Wenn du abhauen willst, du kommst mir nicht davon.' Ich bin damals in elf Sekunden 100 Meter gelaufen – meine Bestzeit.

Reisky: "Für 30.000 Mark sollte mich einer umbringen"

Sie haben viele Dealer in Haft gebracht. Hat schon mal jemand versucht, sich später an Ihnen zu rächen?
Ein Trio hatte tatsächlich einmal die Absicht, mich zu liquidieren. Ein angeblicher Informant, den ich bis dahin nicht kannte, rief mich damals an, weil er eine Information für mich habe. Ich hatte von Anfang an ein komisches Gefühl. Zusammen mit zwei Kollegen bin ich zu ihm in den Bayerischen Wald gefahren. Er machte die Tür auf: zwei Meter groß, lange Haare, tätowiert – auf seinem Körper war kein freier Platz. Seine Mutter hat Kaffee angeboten und nach fünf Minuten hat sie immer wieder gesagt: 'Sag es ihm, sag es ihm!'

Was sollte er sagen?
Er hatte den Auftrag, mich für 30 .000 Mark umzubringen. Drei Regensburger, die ich inhaftiert hatte, steckten hinter dem Mordauftrag. Sie haben den Tätowierten sogar schon auf eine Zielscheibe schießen lassen, um zu sehen, ob er überhaupt treffen würde. Ich glaube, er hat dann seiner Mutter davon erzählt und er traute sich auch selbst nicht, so etwas durchzuziehen.

Was war Ihr größter Fall?
Ein Informant hat mir 1986 gesteckt, dass ein Dealer schon Kindern und Jugendlichen zeigt, wie man Heroin spritzt. Der wollte neue Kunden gewinnen, denn bei Heroin wird man in der Regel sofort süchtig. Der Dealer ist nach Holland gefahren, um dort Nachschub zu holen – und zwar mit der Tochter eines Kollegen. Sie war auch abhängig. Davon hatte mir der Informant erzählt – insgesamt wurden dabei acht Personen inhaftiert. Ein anderer großer Fall, bei dem ich mitgearbeitet habe: In Regensburg gab es mal einen, der hat sich das Gesicht operieren lassen, damit er nicht mehr erkannt wird. In England hat er einen Kokain-Handel aufgezogen. 750 Kilo Kokain haben in den Hohlraum seiner Jacht gepasst. Damit hat er sich die Drogen aus Südamerika beschafft. Über einen Informanten wurde der Fall Ende der 80er Jahre aufgeklärt.

So rettete ein Bänderriss sein Leben

Sie haben vorhin von der Tochter eines Kollegen gesprochen. Kann der Drogensumpf jeden erwischen?
Das kann jedem passieren. Ich habe vor allem Mitleid mit den Angehörigen. Betroffene beklauen sogar ihre eigene Oma. Sparbücher, Bargeld unterm Kissen – Drogensüchtige machen vor nichts halt. Stichwort: Beschaffungskriminalität.

Was war einer der schwersten Momente in Ihrer Laufbahn?
Ich habe mir einmal einen Bänderriss zugezogen. Obwohl ich noch krankgeschrieben war, bin ich wieder zur Arbeit. Der Einsatz war damals in Wackersdorf und ich sollte mit einem Hubschrauber mitfliegen. Da ich noch nicht richtig laufen konnte, ist an meiner Stelle ein anderer Kollege mitgeflogen. Nach wenigen Minuten kam die Schreckensnachricht: Der Hubschrauber ist abgestürzt. Ein Zug hatte ihn beim Aufstieg gestreift, der Tank explodierte. Nach drei Wochen ist der Kollege an seinen Verletzungen gestorben. Ich hatte schlaflose Nächte, mir hat es bei dem Gedanken immer wieder die Haare aufgestellt.

Das ist sehr traurig. Wie auch die Bilanz in Ihrem Buch. Sie glauben nicht, dass man den Handel mit Drogen jemals in den Griff bekommen wird. Warum nicht?
Sperrt man einen Dealer ein, kommen schon die nächsten zwei nach. Das ist leider so. Aber als Polizist muss man sich darauf konzentrieren: Ich kann nicht jeden retten, nicht jeden festnehmen.

Wie lässt sich vorbeugen?
Die Strafen sind schon hart genug, aber auch das schreckt nicht ab. Ich finde, die Prävention geht schon bei Kindern und Jugendlichen los. Man sollte immer schauen: In welchem Freundeskreis sind sie? Mit wem verbringen sie ihre Zeit? Sport finde ich persönlich auch sehr wichtig. Keiner, der in einem Fußballverein integriert ist, wird so schnell auf den falschen Weg kommen.


Rolf Peter Sloet: Drogenhochburg Oberpfalz. Erinnerungen eines Regensburger Drogenfahnders, Battenberg Verlag, 207 Seiten, 14,90 Euro

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