Häftling qualvoll verblutet, Knast-Arzt kassiert weiter

NÜRNBERG Erst wurde Knast-Arzt Dr. Kurt P. (63) fristlos gefeuert. Jetzt muss er wieder eingestellt werden! Das Arbeitsgericht entschied am Donnerstag, dass die Kündigung des umstrittenen Mediziners nicht rechtens war.
Der qualvolle Tod eines Häftlings, der sich in seiner Zelle die Pulsadern aufgeschnitten hatte, brachte den Gefängnisarzt schwer in die Bredouille. Dr. Kurt P., der von den hauseigenen Sanitätern mitten in der Nacht vom Suizidversuch des Gefangenen informiert worden war, hielt sein persönliches Erscheinen nicht für notwendig. Lediglich per Telefon gab er Empfehlungen zur Behandlung. Der Gefangene David S. (23) verblutete.
Der damalige Chef der JVA, Hans Welzel, hielt Monate lang seine schützende Hand über den Gefängnisarzt, ließ ihn weiter arbeiten. Auch dann noch, als die Staatsanwaltschaft gegen Dr. P. wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelte. Erst als feststand, dass er sich vor Gericht verantworten musste, wurde er vom Dienst suspendiert – und wenige Monate darauf fristlos entlassen.
Die Stelle in der JVA ist längst neu besetzt
Im Prozess wurde Dr. P. freigesprochen, weil sich die Gutachter nicht einig waren, ob David S. nach den Schnitten in die Pulsadern überhaupt hätte gerettet werden können. Dass Dr. Kurt P. Fehler gemacht hatte, stand allerdings auch für das Landgericht fest.
Dr. Kurt P. reagierte nach seinem Freispruch mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht, um seinen Job wieder zurück zu bekommen. In der Verhandlung erklärte er sich auch mit einer anderen Lösung einverstanden: Suspendierung ja, aber mit vollem Gehalt bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres, Zahlung aller Zulagen, finanzieller Ausgleich der Rentenzahlungen. Das würde mehrere hunderttausend Euro ausmachen.
Auf derartige Überlegungen ließ sich das Arbeitsgericht erst gar nicht ein. Es entschied kurz und bündig, dass die Kündigung unwirksam ist. Ein wesentlicher Grund dafür, der mit dem endlosen Taktieren des JVA-Chefs zusammenhängt: Der fristlose Rauswurf erfolgte viel zu spät. Dem Arzt, der seit seiner Kündigung von Arbeitslosengeld lebt, muss auch sein Gehalt rückwirkend nachbezahlt werden. Rund 50.000 Euro sind schon zusammengekommen.
Der Freistaat Bayern, formaler Arbeitgeber des Knast-Arztes, steckt nun in der Klemme. Die Stelle in der JVA ist längst neu besetzt. Für Dr. P. müsste bei seiner Rückkehr in den Dienst eine neue Planstelle geschaffen werden. Doch noch ist es nicht so weit. Ein Sprecher des Justizministeriums sagte zur AZ: „Wir schauen uns das Urteil in Ruhe an. Dann entscheiden wir, ob wir dagegen weiter juristisch vorgehen.”
Helmut Reister