Gute Ausrüstung, schlechte Vorbereitung
Der deutsche Alpenverein warnt vor Selbstüberschätzung am Berg: Immer mehr Kraxler können ihre Tour nicht aus eigener Kraft beenden, weil sie schlichtweg überfordert sind
MÜNCHEN Tödlicher Absturz am Zundernkopf im Oberreintal, tödlicher Bergunfall am Totenkirchl in Tirol, ein 36-Jähriger verunglückt am Wilden Kaiser, am Hohen Dachstein stürzt ein Mann aus Nordrhein-Westfalen ab. Meldungen der letzten zwei Tage, die eines deutlich zeigen: Bergwandern und -steigen ist und bleibt gefährlich. Eine Tatsache, die auch die gestern veröffentlichte Jahresstatistik des Deutschen Alpenvereins (DAV) bestätigt.
Positiv: Die Zahl der Bergtoten sank im Vergleich zum Vorjahr deutlich. Negativ: Immer mehr Menschen, die sich in die Berge wagen, sind zwar von Kopf bis Fuß mit optimaler Ausrüstung unterwegs. Aber leider sind sie auch schlecht vorbereitet. „Vielen mangelt es an Kondition, alpinem Können und der richtigen Selbsteinschätzung”, so DAV-Sprecher Thomas Bucher. Eine gefährliche und typische Kombination, die laut DAV „in den Bergen auf dem Vormarsch ist”.
An den im letzten Jahr bei der DAV-Versicherung gemeldeten Un- und Notfällen waren die Bergwanderer und die Pistenskifahrer mit je rund 30 Prozent in etwa gleich stark beteiligt. Gut die Hälfte aller verunglückten Wanderer stolperten, knickten um oder rutschten aus. 18 Prozent litten unter Herz- und Kreislauf-Problemen oder Erschöpfung – ein deutliches Zeichen dafür, dass sie sich zu viel zugemutet hatten. Das beweist auch eine weitere Zahl aus der DAV-Statistik: 24 Prozent der Notfälle wurden durch die so genannte Blockierung verursacht: Die Bergwanderer und -steiger hatten sich in eine Situation gebracht, der sie weder physisch noch psychisch gewachsen waren – und aus der sie sich auch nicht ohne fremde Hilfe befreien konnten.
Sehr ähnlich sind auch die Beobachtungen der bayerischen Bergwacht aus den letzten Jahren. Trotz der ständig wachsenden Beliebtheit des Bergwanderns und -kletterns ist dort die Zahl der Notfalleinsätze leicht rückläufig: Von 6358 im Jahr 2009 auf 5514 im letzten Jahr. „Die gesamte Statistik lässt die Aussage zu, dass der Bergsport über die Jahre hinweg immer sicherer geworden ist”, heißt es bei der Bergwacht.
Manchmal hilft aber auch Petrus mit reichlich Regen: Den Rückgang von Unfällen bei Hochtourengehern um 46 Prozent erklärt man sich beim Alpenverein schlicht mit schlechterem Wetter im Jahr 2010.