Gustl Mollath: "Angstzustände wie nach einem Kriegstrauma"
Gustl Mollath hat nach sieben Jahre in der Psychiatrie Angst. Er will nicht im Beisein eines Psychiaters in seinem Wiederaufnahmeverfahren in Regensburg aussagen und spricht von einem Zustand wie nach einem Kriegstrauma.
Regensburg - Gustl Mollath begrüßt die Gutachter im Gerichtssaal mit Handschlag. Auch den psychiatrischen Gutachter Prof. Norbert Nedopil bedenkt er vor dem Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Regensburg mit einem Lächeln. Was er aber wirklich von Psychiatern hält, sagt er wenig später. Der 57 Jahre alte Nürnberger betont, dass er sich frank und frei verteidigen möchte: "Das kann ich aber nicht, wenn Herr Nedopil als Damoklesschwert über mir schwebt." Bei Psychiatern bekomme er Beklemmungen und "Angstzustände wie nach einem Kriegstrauma". Das Gericht lässt sich aber nicht darauf ein und behält den Gutachter im Saal.
Mollath erscheint in dunkelblauem Anzug, weißem Hemd, mit roter Krawatte. Er blättert in den dicken Akten und macht sich fleißig Notizen. Seinen ersten Redeauftritt zelebriert er regelrecht. "Frau Vorsitzende, ich möchte gerne etwas sagen, aber erst noch ein Schluck Wasser trinken, wenn ich darf?" fragt er höflich. Dann beschreibt er sein Misstrauen gegenüber Psychiatern. Er wolle sich gerne äußern, aber nicht "wieder eine Wundertüte eines Gutachters bekommen".
Das erste, kurze Scharmützel mit der Staatsanwaltschaft verliert er jedoch. Von da an schweigt der Nürnberger. "Ich bin nicht aussagefähig."
Der Fall des sieben Jahre gegen seinen Willen in der Psychiatrie untergebrachten Nürnbergers hat die Menschen in Deutschland berührt und die Justiz erschüttert. "Mein Mandant hat seit 10 Jahren mit Psychiatern zu tun und wurde einmal unter Zwang begutachtet", sagt sein Rechtsanwalt aus Hamburg, Gerhard Strate. Das Ergebnis sei die siebenjährige Unterbringung in der Psychiatrie.
Dagegen war Mollaths Ex-Frau, die als Nebenklägerin beteiligt ist, nicht erschienen. "Meine Mandantin hat sehr lange und sehr gründlich überlegt", sagt ihr Anwalt Jochen Horn. Aber sie habe sich bereits umfassend geäußert.
Wie angespannt die Situation um den Fall Mollath ist, der eine bayerische Justizministerin in die Enge getrieben und einen Untersuchungsausschuss beschäftigt hatte, zeigt sich schon bei der Verlesung der Anklage. Trommelschläge von Demonstranten vor dem Gebäude dringen in den Gerichtssaal. Ein Zuhörer steht auf und bittet, diese Störung abzustellen. Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl braust auf und fährt den Mann an: "Sie sind hier Zuhörer und nicht Zwischenrufer." Sollte er nicht unverzüglich Platz nehmen, droht die Weisung aus dem Gerichtssaal. Von dem Moment an ist es ruhig.
Dann liest Meindl die Anklageschrift vor: 20 Mal soll Mollath im Jahr 2001 mit Fäusten auf seine damalige Ehefrau eingeschlagen haben. Er soll sie gebissen, getreten und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Später soll er sie in der Wohnung für eineinhalb Stunden eingesperrt haben. Gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung lautet der Vorwurf - und dazu noch Sachbeschädigung, weil Mollath auch noch Dutzende Autoreifen zerstochen haben soll.
Im ersten Verfahren hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth 2006 nach nur rund vier Stunden festgestellt, dass die Vorwürfe zutreffen. Weil die Gutachter dem Nürnberger jedoch Wahnvorstellungen attestierten und ihn als gemeingefährlich einstuften, sprach das Gericht Mollath damals wegen Schuldunfähigkeit frei und wies ihn stattdessen in die Psychiatrie ein. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil 2007. Das Bundesverfassungsgericht urteilte später, seit 2011 sei seine Unterbringung in der Psychiatrie verfassungswidrig. Im vergangenen August kam Mollath nach mehr als sieben Jahren frei.
Nach gut zweieinhalb Stunden ist der erste Verhandlungstag beendet; am Dienstag soll es weitergehen. Mollath gibt bereitwillig Interviews und wird vor dem Gerichtsgebäude von mehreren Dutzend Unterstützern gefeiert.